Städte sind bereit für Arbeitslosengeld Zwei

Vom befürchteten Hartz IV-Chaos ist in den zehn NRW-Modellkommunen bislang nichts zu spüren. Städte und Kreise, die ihre Langzeitarbeitslosen ab dem 1. Januar 2005 selbst betreuen, gehen von planmäßigem Start der Reform aus

RUHR taz ■ Zehn nordrhein-westfälische Städte und Landkreise gehen die Einführung des neuen Arbeitslosengelds II selbstständig an. Diese Modellkommunen, die sich für die Betreuung ihrer langzeitarbeitslosen Bürger entschieden hatten, bemühen sich um einen planmäßigen Start der Arbeitsmarktreform Hartz IV. „Wir liegen voll im Fahrplan“, sagt Reinhard Groschke, Sozialamtsleiter im münsterländischen Kreis Borken. „Die allermeisten Anträge auf Leistungsgewährung sind eingetroffen“, sagt Ulrich Ernst von der Stadt Mülheim. Von den bisherigen Sozialhilfe-Empfängern hätten 97 Prozent einen ALGII-Antrag gestellt.

„Die Auszahlung der Leistungen hat Priorität“, sagt Jürgen Brückner, Sozialdezernent des Ennepe-Ruhr-Kreises, über die Vorbereitungen. Computerschulungen, Antragsbearbeitung, Anmietung von Räumlichkeiten – rund 200 Mitarbeiter kümmern sich in der Schwelmer Kreisverwaltung und den angeschlossenen Kommunen um Hartz IV. Anfang kommenden Jahres soll die „JobAgentur EN“ öffnen.

Im September waren durch die Bundesregierung zehn Städte und Kreise in NRW ausgewählt worden, die für die alleinige Aufgabenträgerschaft nach dem Sozialgesetzbuch II optiert hatten. Zu den Auserwählten gehörten die Städte Hamm und Mülheim sowie die Kreise Steinfurt, Coesfeld, Düren, Ennepe-Ruhr, Minden-Lübbecke, Hochsauerland, Kleve und Borken. Nicht berücksichtigt wurden die Kreise Euskirchen, Lippe und Neuss, die auch einen Antrag gestellt hatten. In allen anderen Kommunen ist die Arbeitsverwaltung für die Umsetzung von Hartz IV hauptverantwortlich. Eigentlich sollten nach dem in Berlin beschlossenen Optionsgesetz zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nur sechs NRW-Kommunen die Betreuung der Langzeitarbeitslosen allein übernehmen. Wegen fehlender Bewerbungen aus anderen Bundesländern bekam NRW jedoch vier Städte mehr zugeteilt.

„Bei uns liegen je nach Kommune zwischen 70 und 100 Prozent der ALGII-Anträge vor“, geht der Borkener Sozialamtsleiter Groschke von einer pünktliche Auszahlung der Hilfsleistungen aus. Die Personalkosten für die Hartz-Verwaltung werden durch die Bezuschussung des Bundes abgedeckt. Insgesamt erhält der Kreis 20,5 Millionen Euro für das Jahr 2005. Davon sind acht Millionen Euro für Personal und Verwaltung sowie 12,5 Millionen für Eingliederungsleistungen vorgesehen. Darunter fallen auch die vermeintlichen „Ein-Euro-Jobs“ – zusätzliche Verdienstmöglichkeiten, durch die Hilfsempfänger auf bis zu 900 Euro im Monat kommen können.

„Die Optionskommunen sind ganz überwiegend gut aufgestellt für ihre neuen Aufgaben“, sagt Karl-Josef Laumann, münsterländischer CDU-Bundestagsabgeordneter und Arbeitsmarkt-Experte seiner Fraktion. Doch es gebe auch noch offene Fragen. Ungeklärt sei bisher, wer aus welchen Finanztöpfen die Rehabilitationsleistungen für behinderte ALGII-Bezieher zu tragen hat. Hier sei die Bundesregierung gefordert, eine verbindliche Rechtsauslegung vorzunehmen. „Diese Frage ist noch offen“, sagt auch Christian Strasen, Sprecher der Optionskommune Hamm. Bis auf diese „hochbedauerliche“ Einzelfrage sehe die Ruhrgebietsstadt jedoch keine größeren Schwierigkeiten bei der Einführung von Hartz IV: „Mitte Dezember gehen die Bescheide an die Antragsteller raus.“ Auch der ostwestfälische Landkreis Minden-Lübbecke verbreitete bisher Erfolgsmeldungen. Schon die Teilnahme am exklusiven Optionsprogramm sei ein „großer Erfolg für den Mühlenkreis“. MARTIN TEIGELER