schmickler macht ernst
: Tunten aus Amsterdam

WILFRIED SCHMICKLER: Der Mann mit der Axt holzt für die taz

Es gibt Sachen, die gibt es gar nicht. Und wenn es sie doch gibt, dann unter Garantie nur, nur in Kölle. Da wird in den Niederlanden der Anti-Islamist Theo van Gogh von einem durchgeknallten Fanatiker abgeschlachtet, und seitdem vergeht kein Tag ohne Bomben- und Brandanschläge auf Moscheen und Schulen. Ein ganzes Land befindet sich quasi im Ausnahmezustand und die Fundamentalisten der verschiedenen Aberglaubensrichtungen erklären sich gegenseitig den Krieg. Zur gleichen Zeit verkündet die „Gloria-Sitzung“ ihr Motto: „Holland in Not“.

Regisseur Sascha Korf gibt bei der Präsentation schon mal einen Vorgeschmack auf das, was den Besucher erwartet: Holländische Moderatoren suchen Asyl in einer „Zimmer frei“-Sendung, neue Künstler werden mit dem Schlager „Tunten aus Amsterdam“ begrüßt, und wie ich die Scherzkekse von der homosexuellen Brauchtums-Pflegestation kenne, gibt es reichlich Wohnwagenwitze. Dazu singt Marie-Luise Nikuta mit den Kutschallas den närrischen Superhit: „Und das ist auch gut so!“. Und sollte der eine oder andere Gast aus dem verstörten Nachbarland solcherlei Narretei als geschmacklos empfinden, so hat das, laut Sascha Korf, einen einzigen Grund: „In Holland fehlt der Frohsinn!“

Wobei der auch in der Frohsinnszentrale Köln seine Grenzen hat. Irgendwo hört der Spaß bekanntlich auf. Das haben die toleranten Kölnerinnen und Kölner gerade erst bei der Kommunalwahl bewiesen, bei der die rechtsextreme „Pro Köln“ mit der Forderung „Keine Großmoschee in unserer Nachbarschaft!“ in einigen Stadtteilen zweistellige Ergebnisse eingefahren hat. Eine Großmoschee in der Nachbarschaft! Davor haben die Christenmenschen mehr Angst als vor einer forensischen Klinik mit angeschlossenem Asylantenheim.

Ja, so sind sie, die frommen Kreuzritter und bigotten Pfaffenanbeter, tragen Jahrhunderte lang ihren verlogenen Glauben mit Feuer und Schwert bis in die hintersten Winkel der heidnischen Welt, pflastern den ganzen Erdball mit ihren Verbrecher-Missionen und Korruptions-Kathedralen – Motto: Und willst du nicht mein Glaubensbruder sein, dann schlag ich dir den Heidenschädel ein – aber wehe so ein Andersgläubiger kommt auf die Idee, hier seine eigene Gebetshütte aufmachen zu wollen. Da heißt es sofort: Nix da! Erst baue mir denne Moschehe und dann bombardiere die uns der Dom.

Jetzt fragen Sie mit Recht, was solche Stammtischparolen und Latrinensprüche mit Holland bzw. mit dem lustigen Motto der Gloria-Sitzung zu tun haben. Nicht das Geringste! Denn schließlich waren die Kostüme, Plakate und Nummern der Sitzung bereits produziert, als die Anschläge passierten. Und „wegen der politischen Spannungen“ in den Niederlanden verspricht Sascha Korf: „ Wir bleiben politisch korrekt. Bei einer Eskalation werden wir reagieren.“ Na, da bin ich aber mal gespannt!