Der Wochenendkrimi
: In die Ecke

„Tatort: Verlorene Töchter“, So., 20.15 Uhr, ARD

Doktor Specht ist wieder da. Einige Zeit versteckte er sich ja hinter einer ultraresoluten Ermittlervisage und einer ebensolchen Dienstauffassung. In diesem „Tatort“ schält sich nun allerdings aus Robert Atzorn jenes alte TV-Alter-ego heraus, das er sich mit der Figur des Hamburger Lederjackenkommissars Casstorff seit drei Jahren auszutreiben versucht: unser Lehrer Doktor Specht. Als eben dieser Studienrat machte Atzorn einst fürs ZDF Quote: Unkonventionell, couragiert und mit einem unerschütterlichen Optimismus setzte er sich für seine Schüler ein. So agiert nun auch Casstorff in „Verlorene Töchter“ (Regie: Daniel Helfer, Buch: Marc Blöbaum, Elke Schuch).

Es geht um ein paar besonders renitente Teenagerexemplare, die Chips in sich hineinschaufeln und ihre Mitschüler terrorisieren. Pisas verlorene Kinder. Die Mädchen, die toll fluchen, und ältere Herren von ihren Fahrrädern schubsen, stehen im Verdacht, ihre Anführerin getötet zu haben. Der Kommissar blickt streng, mag die Achtklässlerinnen aber nicht aufgeben. Im Laufe der Handlung werden sie als Fallbeispiele vorgeführt, die mit ihrem schroffen Verhalten soziale Mängel kompensieren. Die eine ist dick, die andere muss sich um ihren dementen Opa kümmern, die Dritte ist Türkin und wird vom Vater unterdrückt. Der sozialpädagogische Impetus ist rührend, lenkt jedoch von der Schwere des Verbrechens ab. Wie einst als Doktor Specht redet Kommissar Casstorff warnend und aufmunternd auf die Mädchen ein.

Da vergisst man fast, dass Mord keine verhauene Mathe-Arbeit ist.

CHRISTIAN BUSS