Saurer Apfel im Steuerparadies

Aber die meisten Früchte bleiben süß. Steuerhinterzieher haben weiterhin gute Chancen, obwohl Finanzminister die Kapitalflucht erschweren wollen. Darüber will Hans Eichel auch auf der Tagung der G-20-Wirtschaftsmächte in Berlin reden

VON HANNES KOCH

Mehrere hundert Milliarden Euro Kapital aus Deutschland liegen in den Steueroasen dieser Welt. Die Schätzungen reichen von 400 bis zu 600 Milliarden – Geld, das an den Finanzämtern vorbei auf die britische Kanalinsel Jersey, die karibischen Kaimaninseln oder nach Mauritius im Indischen Ozean transferiert wurde. Mindestens drei Dutzend Staaten und Territorien locken Investoren, indem sie ihnen Steuerfreiheit und andere Vorzugsbehandlung anbieten – und schaden damit Ländern wie Deutschland, aus denen das Kapital stammt. Deshalb schlägt Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) den 20 wichtigsten Ressortkollegen aus aller Welt an diesem Wochenende vor, einen Plan gegen Steuerflucht zu beschließen.

Der „Gruppe der 20“ (G 20) gehören die wichtigsten Wirtschaftsnationen an, darunter die USA, Japan und Deutschland. Außerdem nehmen die aufstrebenden Wirtschaftsmächte wie China, Indien und Brasilien an der Tagung teil, die bis Sonntag in Berlin stattfindet. Eichel will die anderen Finanzminister dazu bewegen, eine Regelung zu beschließen, die die Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bereits akzeptiert hat. Demnach müssten die so genannten Steueroasen genaue Angaben zum anlegten Kapital machen, wenn ein Finanzamt aus Deutschland, Frankreich oder Italien nachfragt. Das würde die Steuerhinterziehung zumindest erschweren. Wenn auch China sich dieser Vorschrift anschlösse, „wäre das ein Fortschritt“, sagt Steuerexperte Sven Giegold von der globalisierungskritischen Organisation Attac. Doch Giegold sagt auch: „Das ist symbolische Politik, die in der Praxis nicht viel bewirkt.“

Warum? Laut OECD-Richtlinien können Informationen nur im Einzelfall angefordert werden. Das jeweilige Finanzamt muss also einen Verdacht begründen können und auch wissen, wo es fragen soll. Bei drei Dutzend Fluchtzielen von A wie Antigua bis V wie Vanatua eine schwierige Sache. Besser wären automatisierte Mitteilungen, die die Banken der Steueroasen an die Herkunftsländer schicken müssten. Eine solche Meldepflicht für Kapitalgewinne ist jedoch nicht vorgesehen.

Das jetzige OECD-Programm gegen „schädliche Steuerpraktiken“ ist die Miniversion eines einstmals umfangreicheren Pakets. 1998, als es entworfen wurde, sollte es noch dem Kampf gegen „schädlichen Steuerwettbewerb“ dienen. Der Unterschied: Ursprünglich sollte auch Steuerdumping mit Niedrigsteuern verhindert werden. Diese Absicht ist unter dem Druck der USA aber fallen gelassen worden.

Ob die G 20 wenigstens die kleine Lösung beschließen, ist noch nicht klar. Finanzminister Hans Eichel und sein Staatssekretär Caio Koch-Weser hoffen aber, dass es dazu kommt.