Leverkusener Meisterschaftstrauma

Leverkusens Basketballer verlieren deutlich gegen Alba Berlin. Die Gäste zeigen sich über das schlechte Spiel des Werksteams überrascht. Der angestrebte Kampf um die Meisterschaft kann wohl vergessen werden

LEVERKUSEN taz ■ Heimo Förster ist eine Art Eigenkreation der Bayer-Basketballer. Als Spieler saß der gebürtige Leverkusener zwar meist nur auf der Bank, trotzdem wurde er von Jahr zu Jahr beliebter, durch seine hemdsärmlige Art, seine offen gelebte Verbundenheit zum Klub. Seit gut zwei Jahren ist der 40-Jährige nun Trainer des Bundesligisten Bayer Giants, und normalerweise wird er nach Spielen auf den öffentlichen Pressekonferenzen in der Dopatka-Halle vom Volke mit herzlichem Applaus begrüßt, sogar nach Niederlagen. Am Samstagabendabend war jedoch alles anders. Nach dem 72:83 (32:45) gegen Alba Berlin wurde nur ganz leise geklatscht, man hörte gar ein paar Buhrufe.

Den Grund für die Verärgerung nannte Alba-Trainer Emir Mutapcic in seiner Analyse des Spiels. „Wenn wir ehrlich sind“, sagte der Bosnier, das Balkan- “R“ besonders schön rollend, „hat Leverkusen heute nicht sein Niveau gezeigt.“ Er hatte Recht. Leverkusen spielte sogar richtig schlecht. Der siebenmalige Meister aus der Hauptstadt musste deshalb nicht allzu viel tun, um gegen den 14-maligen Champion den sechsten Saisonsieg zu feiern: „Wir können auch besser. Ich bin aber vor allem froh, dass wir heute gewonnen haben“, sagte Mutapcic. Im vergangenen Jahr hatte Alba in der Vorrunde der Basketball-Bundesliga in Leverkusen verloren. In der Playoff- Viertelfinal-Serie, die Berlin 3:1 gewann, gelang Bayer immerhin ebenfalls ein Heimsieg.

Wahrscheinlich werden einige Leverkusener Profis in ihren Alpträumen fortan von Jovo Stanojevic verfolgt. Berlins 2,07-Metergroßer Centerspieler gewann besonders in der ersten Halbzeit unter dem Korb so wie jedes Duell – offensiv wie defensiv. „Bei den Offensiv-Rebounds haben wir manchmal mit drei Mann daneben gestanden und zugeschaut. Das darf nicht sein“, schimpfte Förster. Es war aber genauso so – und so holte Stanojevic sensationelle 19 der 49 Berliner Rebounds. Die Bayer Giants brachten es nur auf 35. Insgesamt 19 seiner insgesamt 23 Punkte erzielte Stanojevic als Topscorer der Partie in den ersten 20 Minuten. Danach bekamen ihn die Leverkusener etwas besser in den Griff, dafür trafen aber nun andere unter dem Korb. Berlin konnte sich sogar den Luxus einer grauseligen Quote bei den Distanzwürfen erlauben. Nur Nino Garris traf einen Dreier, aus der Mitteldistanz verwandelte Alba fünf von elf Versuchen.

Erschütternd für die Leverkusener: Kapitän Denis Wucherer machte während der ganzen Partie nicht einen Punkt. „Ich weiß nicht, was er hatte“, sagte Förster – und sah dabei recht genervt aus. Verletzt sei Wucherer nicht gewesen. Wieder einmal zeigte sich: Wenn der 31-jährige Nationalspieler einen schlechten Tag hat, spielt die ganze junge Bayer-Mannschaft schlecht. „Wir hätten noch drei Stunden weitermachen können, das Spiel hätten wir nicht mehr gewonnen. Es fehlte uns das Feuer in der Verteidigung“, sagte Förster.

Es fehlte überhaupt viel, und vermutlich wird Bayer Probleme bekommen, im Soll zu bleiben. Vor drei Jahren nämlich verfasste der Klub einen tapferen Plan zum Wiederaufbau: Mit geringerem Etat, ambitionierten jungen deutschen Spielern, wenigen ausländischen Profis und dem erfahrenen Wucherer sollen die Bayer Giants unter Leitung von Trainer Förster wieder so richtig erfolgreich werden, möglichst zu einer Art VfB Stuttgart des Basketballs mutieren. Leverkusen befindet sich aktuell im Jahr drei, das offizielle Planziel lautet: Um die Meisterschaft mitspielen. „Das Ziel wird weiter strikt verfolgt“, sagt Manager Thomas Deuster. Er weiß aber auch, dass nach drei Siegen und vier Niederlagen die Planerfüllung schon jetzt arg gefährdet ist.

Förster ging jedenfalls erstmal ein Bier trinken, gegen Alba-Frust. „Das muss jetzt sein“, raunte er – und war ganz schnell weg.

CHRISTIANE MITATSELIS