Krönungsmesse als Programm

Peer Steinbrück ist wieder da: Auf dem Programmkonvent der SPD gibt sich Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident siegesgewiss – und attackiert Opposition wie Grüne. Diskussion wird Nebensache

AUS BOCHUMANDREAS WYPUTTA

„Strengt Euch an – mit mir. Es lohnt sich“: Nordrhein-Westfalens SPD-Regierungschef Peer Steinbrück hat seine Partei auf einen Sieg bei den in sechs Monaten anstehenden Landtagswahlen eingeschworen. „Ich bin sicher, wir können es auch 2005 schaffen“, ruft Steinbrück der sozialdemokratischen Funktionärselite zu. Und die folgt ihm: Zunächst zögerlich, feiern die Genossen ihren Spitzenkandidaten am Ende mit Standing Ovations.

Steinbrück strengt sich an – und überzeugt: Die Union sei „bei uns im Land und im Bund“ regierungsunfähig, CDU-Herausforderer Jürgen Rüttgers verhalte sich „opportunistisch und taktisch“, so der Ministerpräsident, ohne den Oppositionsführer auch nur beim Namen zu nennen. „Das letzte, was wir in Nordrhein-Westfalen brauchen, ist ein ausgewiesener Wackelkandidat im höchsten und wichtigsten Amt des Landes“, greift der Regierungschef Rüttgers‘ Kurs bei Hartz-Reform und Kopfpauschale an.

Die SPD dagegen ist für den Ministerpräsidenten die Kraft, die den ökonomischen und gesellschaftlichen Wandel der Globalisierung trotz aller unvermeidbaren Härten gestalten, „lenken“ und „zähmen“ will. „Die Zukunft ist, was wir draus machen“, appelliert Steinbrück an den sozialdemokratischen Fortschrittsglauben. Seine Rezepte sind bekannt: Im Bildungsbereich müsse Chancengleichheit herrschen. NRW fördere den Sprachunterricht für Kinder von Migranten, baue die Ganztagsgrundschule aus. Auf die von den Grünen geforderte Schule für alle geht der Regierungschef mit keinem Wort ein.

Chancen sieht Steinbrück in der drohenden Überalterung des Ruhrgebiets. Das Revier könne sich „zum Musterbeispiel für eine Gesellschaft des langen Lebens“ entwickeln, glaubt er. Vor allem aber will der SPD-Spitzenkandidat „um jeden Arbeitsplatz kämpfen“ – auch auf Kosten der Grünen: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht auf jedes Umweltproblem mit Verrechtlichung reagieren.“ Lob gibt es für die parteiintern umstrittenen Hartz-Reformen: „Wenn ein Langzeitarbeitsloser in D-Mark-Beträgen achtzehnhundert Netto nach Hause bringt, ist das nicht schlecht.“

Doch der Nachfolger des einst hastig nach Berlin enteilten Wolfgang Clement will auch die Herzen der SPD-Mandatsträger wärmen, spricht von NRW als „sechstgrößter EU-Wirtschaftsmacht“ mit einem „Bruttosozialprodukt größer als das der Russischen Föderation“ – alkoholisiert denke er manchmal über die Unabhängigkeit nach, wisse dann aber nicht, „ob Vesper Außenminister wird“. Danach wieder Wertedebatte: Die SPD müsse den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken, Konflikte wie „arm gegen reich, jung gegen alt, Einheimische gegen Zugereiste“ moderieren. Ob Kinderarmut oder Manager-Schelte, Steinbrück hat für jeden etwas im Programm. Am Ende der Rede erheben sich die Genossen, geeint vom Wunsch nach einem Sieg.

„Guter Aufschlag, Peer“ – NRW-Parteichef Harald Schartau wird wie der überraschend folgende Ex-Bundesvorsitzende Hans-Jochen Vogel beinahe zur Nebensache, ebenso wie die von WDR-Journalist Manfred Erdenberger moderierten Programmforen zu Forschung, Wirtschaft, Bildung. Zwar glänzt die SPD hier mit Landesministerinnen und Landesministern, Bundes-Staatssekretären, Professoren, doch verlässt ein großer Teil der Delegierten den Saal. Wichtig ist weniger die Programmdiskussion, wichtig ist die Selbstversicherung. Selbst diese Linie hat Steinbrück vorgegeben, als er sich „zwei klare Botschaften“ wünscht: „Mit Botschaften ist es wie mit Bällen. Wirf mir einen oder zwei zu und ich werde sie fangen. Wirf mir zehn auf einmal zu und ich fange keinen.“