Wohnst du?

Die Arbeitnehmerkammer talkshowt sich durch Bremer Wohnzimmer und will dabei nicht nur Einrichtungen, sondern auch Lebenshaltungen auf die Spur kommen. Start war im Ökodorf

Hausbesuche“ mit Konzept: Bremer, die nicht ganz alltäglich wohnen, können Moderator Peter Schenk von der Arbeitnehmerklammer und einen Wunschgast zu sich nach Hause einladen. Dazu Publikum. Soviel, wie ins Wohnzimmer passt. Dann wird über Wohnformen, Lebensentwürfe und das Politische im Privaten geplaudert. Und das Publikum darf mitplaudern.

Die erste dieser Veranstaltungen im Rahmen des Arbeitnehmerkammer-Programm „Du –die Stadt“ fand bei Theaterschneiderin Marianne Reuter statt: Die lebt in einem Holzhaus, das sie sich selbst gebaut hat, in einem Ökodorf an der Lesum. Mit seinen circa 50 Quadratmetern ist das Haus geräumiger als die Bauwagen, aus denen die Siedlung hauptsächlich besteht. Es ist komplett aus hellem, naturbelassenen Holz gefertigt und durchaus eine Besichtigung wert. Neben dem Haus gibt es noch alte Theaterkostüme, alte Nähmaschinen und eine Tintenfass-Sammlung zu bestaunen.

Man sitzt in der Runde, so dass alle sich ansehen können; der Holzofen ist gut eingeheizt, das Kerzenlicht ist gedämpft; es gibt Wein, Bier und O-Saft, Nachos mit Tomatendip. Als Special Guests hat sich Frau Reuter die Jazzer Jens Schöwing (Fender Rhodes) und Klaus Fey (Saxophon) eingeladen, die den Abend mit entspannten Standards und modernen Bearbeitungen auflockern. So lässt es sich prima aushalten.

„Ich war immer die, die im Bauwagen wohnt“, erzählt Marianne Reuter. „Ich habe da schon die letzten beiden Schuljahre lang gewohnt. Aber da ich als Einzelkind auf einem Gehöft aufgewachsen bin, wurde mir der Bauwagen irgendwann zu eng. Und dann hatte ich die Idee, mir dieses Haus zu bauen.“ So ein Haus, sagt Marianne Reuter, könne sich jeder bauen. Sie selbst habe fünf- bis zehntausend Euro investiert, habe viele Teile, zum Beispiel die Fenster, gebraucht gekauft. Nun ja, man wird wohl eine Menge guter Beziehungen zu den richtigen Leuten brauchen, um sich so ein Häuschen für die genannte Summe hinstellen zu können, denkt man sich.

Dennoch stellt es eine echte Alternative zu Mietwucher und überteuerten Einfamilienhäusern aus Stein dar. Das Lesumer Ökodorf ist vor etwa zehn Jahren aus dem umstrittenen, umkämpften und schließlich abgeräumten Weidedamm hervorgegangen. Ein Alternativ-Wohnprojekt, das nach Aussage einiger ehemaliger Mitbewohner schließlich gründlich scheiterte. Anders als die Trümmer des Weidedamms sind die Altlasten von 1968 jedoch noch immer nicht entsorgt, wirft man sich noch immer – auch an diesem Abend – gegenseitig Entpolitisierung beziehungsweise das Festhalten an mittlerweile unzeitgemäßen Methoden der politischen Agitation vor.

Eine never ending story, die dadurch, dass man sie zum tausendsten Mal hört, keinesfalls besser wird. Nur in einem Punkt ist man sich wirklich einig: Es gibt keine Hippies mehr, weder in diesem noch in jenem Lager. Schade eigentlich. Tim Ingold

Der nächste Hausbesuch findet am Mittwoch in einer Männer-WG statt. Der Kantor Hans-Dieter Renken und der Psychotherapeut und Theologe Klaus Pohlmeyer haben sich als Special Guest den Direktor der Kunsthalle, Prof. Dr. Wulf Herzogenrath, eingeladen. Und am 2. Dezember ist man zu Gast bei Miriam Breckhoff, die in einer 18-köpfigen Kommune im Buntentor lebt. Special Guest dort ist Filmautor Willi Huismann. Anmeldung unter ☎(0421) 36 30 19 87