Neue Einzelheiten zum Suizid von Matthae

Der frühere Vizechef und Geschäftsführer der Landes-SPD war am 8. August erhängt in seiner Wohnung aufgefunden worden. Der „Spiegel“ recherchiert die Umstände des Todes der sozialdemokratischen Nachwuchshoffnung

Ein Vierteljahr nach seinem Suizid sind neue Einzelheiten über die Umstände des Todes von Andreas Matthae aufgetaucht. Der ehemalige Vizechef und kurzzeitige Geschäftsführer der Landes-SPD war am 8. August 2004 erhängt in seiner Wohnung aufgefunden worden. Der 35-jährige galt als Nachwuchshoffnung der hiesigen Sozialdemokraten.

Nach Recherchen des Spiegel hatte Matthae seiner Schwester Ulrike schon Mitte Oktober 2002 offenbart, dass er versucht habe, sich umzubringen. Wenige Wochen zuvor war es ihm missglückt, im Bundestagswahlkampf das Direktmandat für Friedrichshain-Kreuzberg zu gewinnen, das zuvor für die SPD als ziemlich sicher galt. Christian Ströbele hatte stattdessen das erste bündnisgrüne Direktmandat überhaupt errungen – mit nur 3.782 Stimmen Vorsprung. Damit schienen die bundespolitischen Ambitionen des jungen SPD-Mannes mit einem Schlag zunichte gemacht.

Nach diesem Scheitern trug sich Matthae offenbar mit dem Gedanken, seine politische Laufbahn zu beenden. Freunden soll er gesagt haben, dass er Selbstmord für einen legitimen Ausweg halte. Auf Drängen dieser Freunde machte er eine Psychotherapie. Im Frühling 2003 kehrte er mit Verve in die Landespolitik zurück. Zudem fand er ab August 2003 wieder eine neue berufliche Tätigkeit als Pächter der Polit-Kneipe „Piccolo“ in der Reinhardstraße nahe der Bundespressekonferenz. Seine vorherige Wirtschaft „Sol y Sombra“ in Kreuzberg lief nicht gut.

Auch das „Piccolo“ rutschte recht schnell ins Minus. Den Recherchen nach hatte Matthae am Ende 40.000 Euro Schulden. Matthae schien Anfang April dieses Jahres gute Chancen für den Parteivorsitz zu haben – doch sein politischer Freund Michael Müller wurde als offizieller Kandidat der Partei benannt. An diesem Abend schickte er seinen Eltern eine SMS mit der Botschaft: „Ich habe versagt.“

Immerhin wurde Matthae zum Landesgeschäftsführer ernannt – Jahresgehalt 80.000 Euro. Er musste ein Budget von 3 Millionen Euro verwalten. Da machte es sich schlecht, dass langsam in die Presse sickerte, wie schlecht es um seine Kneipe „Piccolo“ stand. Gravierender war, dass der Kassenwart der Landes-SPD für seine Angestellten in der Gastwirtschaft keine Sozialversicherungsbeiträge abführte. Matthae beschäftigte sie also schwarz. Eine Zeitbombe.

Die SPD befürchtete einen Skandal und beschloss auf einer Klausurtagung Anfang August dieses Jahres die sofortige Beurlaubung Matthaes von seinem Posten als Landesgeschäftsführer. Hinzu kamen private Probleme: In diesem Sommer trennte sich Matthaes Lebensgefährte zum zweiten Mal von ihm.

Am Sonntag, den 8. August besorgte sich der parlamentarische Geschäftsführer der Berliner SPD, Christian Gaebler, einen Schlüssel zur Wohnung Matthaes im Prenzlauer Berg, weil sein langjähriger Freund seit Tagen auf keine Kontaktversuche per Telefon oder Brief reagierte. Er fand Matthae erhängt in seinem Arbeitszimmer. Der Abschiedsbrief an die Kreuzberger SPD, rote Schrift auf weißem Papier, soll so gelautet haben: „Ihr Lieben, ohne euch hätte ich es nie so weit gebracht. Dafür danke ich euch. Nehmt den Kleinkram nicht so ernst, sondern konzentriert euch auf das Wesentliche. Der Mensch, der Einzelne, zählt. Wünsch euch viel Glück und Erfolg. Andreas.“ GES