der bundeswehr-skandal ist eine folge ihrer „neuen aufgaben“
: Große Zeiten, kleine Menschenwürde

Die Empörung, mit der ranghohe Militärs sofort auf die Nachricht reagierten, Rekruten seien mehrfach von Unteroffizieren misshandelt worden, ist glaubwürdig und angemessen – aber keinesfalls beruhigend. Selbstverständlich besteht die Bundeswehr nicht aus lauter grobschlächtigen Haudegen, die es lustig finden, wenn Soldaten mit Befehlsgewalt sich benehmen wie eine gewalttätige Jugendgang. Im Gegenteil: Die Furcht vor einem neuerlichen Erstarken des Militarismus und die weit verbreitete Ablehnung der deutschen Wiederbewaffnung nach dem Zweiten Weltkrieg haben bewirkt, dass in der Bundeswehr jahrzehntelang demokratische Prinzipien und die Achtung vor der Menschenwürde stärker beachtet wurden als in den meisten anderen Streitkräften der Welt. Es ist jedoch fraglich, ob das so bleiben wird.

Der Charakter einer Armee hängt nicht zuletzt von ihren Aufgaben und ihren Einsatzgebieten ab. Wenn unter Landesverteidigung auch Angriffskriege verstanden werden, wenn spektakuläre Antiterrorübungen zur Routine der Soldatenausbildung gehören, wenn Deutschlands Sicherheit nun angeblich am Hindukusch verteidigt wird: dann ist es kein Wunder, wenn die Bundeswehr für Rambos und Spätpubertierende mit Männlichkeitsproblemen attraktiver wird als früher. Da können die zuständigen Politiker noch so oft betonen, dass sie das nicht wünschen. Sie müssten offensiv dagegen vorgehen.

Offenbar nahmen fast alle die Exzesse bei der Rekrutenausbildung klaglos hin, die übrigens mit „Ausbildung“ nicht einmal dann etwas zu tun hätten, wenn die Betroffenen vorher gewusst hätten, was auf sie zukommt. Das ist nicht der erste Hinweis darauf, dass in der Bundeswehr gelegentlich Kameradschaft mit Kumpanei verwechselt wird. Ein Meldewesen, wo niemand befürchten muss, wegen einer Beschwerde als „Kameradenschwein“ denunziert zu werden, ist jedoch die mindeste Voraussetzung für eine einigermaßen zivilisierte Armee. Es wäre schön, wenn das über den oft beschworenen „großen, neuen Herausforderungen“ nicht in Vergessenheit geriete. Schön, aber unwahrscheinlich. Man kennt das: Je größer die Zeiten, desto kleiner der Mensch. BETTINA GAUS