Steueroase trocknet aus

Weil es keine Gewerbesteuern erhebt, ist das nordfriesische Örtchen Norderfriedrichskoog als Firmensitz beliebt – damit könnte es demnächst vorbei sein

Norderfriedrichskoog dpa ■ In der nordfriesischen Gemeinde Norderfriedrichskoog sind zehnmal so viele Firmen wie Einwohner beheimatet – rund 460 an der Zahl. Allein die Lufthansa ist in dem Dörfchen zwischen Husum und St.-Peter-Ording mit 20 Beteiligungsgesellschaften vertreten. Auch die Deutsche Bank und der Energiekonzern E.ON schätzen die hiesigen steuerlichen Annehmlichkeiten für Tochterunternehmen. Doch die Menschen im Ort bangen zunehmend um ihre finanzielle Zukunft: Der Gesetzgeber schließt nach und nach Steuerschlupflöcher, und so könnten sich die Unternehmen bald wieder verabschieden – und damit Einnahmen für die Bewohner Norderfriedrichskoogs.

„Auf meinem Hof habe ich Räume an zehn Firmen vermietet. Wenn die gehen, würde das ganz schon ins Kontor schlagen“, erzählt Bürgermeister Hinrich Thiesen. Nur noch acht der 13 Bauernhöfe im Ort werden bewirtschaftet, denn die Unternehmen zahlen für ihre Büroräume Mieten wie in Großstädten. Bislang rechnete sich das, denn sie müssen in dem Dorf seit Jahren keine Gewerbesteuer zahlen. „Dieser Standortvorteil ist durch Gesetzesänderungen aber größtenteils Geschichte“, sagt Kurt Friedrich vom Kieler Finanzministerium – und im Vermittlungsausschuss schlummern Vorlagen zur Beseitigung letzter Steuerlücken.

Erste Firmen seien bereits abgezogen, sagt Bürgermeister Thiesen. Seit Anfang des Jahres müssen die Mutterunternehmen an ihrem Sitz für die Erträge ihrer Beteiligungen in Nordfriesland Gewerbesteuer zahlen. Für Personengesellschaften bestehen dabei noch günstigere Anrechnungsbedingungen. Deswegen wird nun für alle Gemeinden ein vorgeschriebener Mindesthebesatz bei der Gewerbesteuer von 200 Prozent erwogen.

„Wegen des Verwaltungsaufwandes und der Abgaben an Land und Bund müssten wir aber 290 Prozent nehmen, um kostenneutral zu arbeiten“, sagt Thiesen. Damit wäre Norderfriedrichskoog steuertechnisch nur noch eine Kommune unter vielen. Allerdings ist ein Mindesthebesatz für den Bürgermeister rechtlich bedenklich. Er prüft bereits eine Klage: „Wenn es lohnt, ziehen wir vor Gericht.“

Doch selbst ohne weitere Gesetzesänderungen gerät die kleine Gemeinde bald unter finanziellen Zugzwang: Auf Grund- und Gewerbesteuer konnte sie bisher auch deshalb verzichten, weil die Bauernhofbesitzer als Kaufpreis für ihr Land zusammen rund 25.000 Euro jährlich an die Gemeinde zahlen und damit deren Haushalt großenteils finanzieren. Diese Zahlungen laufen Thiesen zufolge 2006 aus: „Dann müssten auch wir über neue Steuern nachdenken.“

sven runde