american pie
: In Handschellen zum Training

Der ehemalige Football-Spieler Lawrence Taylor hat eine Biografie verfasst. Es ist eine Skandal-Chronik geworden

Dass sich im Profisport nicht ausschließlich gottesfürchtige Betschwestern herumtreiben, ist keine Neuigkeit. Auch dass der Football-Spieler Lawrence Taylor schon immer zu den weniger vorzeigbaren Vertretern seiner Profession gehörte, war nach mehreren Doping-Vergehen und Verhaftungen bekannt. Nun aber hat Taylor, der bis zu seinem Rücktritt 1994 wohl der beste Verteidiger der National Football League war, eine neue Biografie „L.T.: Over the Edge“ veröffentlicht.

Um diese angemessen zu bewerben, benutzten Taylor und sein Verlag die üblichen Mechanismen: Einzelne, besonders kontroverse Stellen sickern im Vorfeld an die Medien durch, es folgen die üblichen Talk-Shows, bevor schließlich in einem finalen Interview die böse Vergangenheit so umfassend bereut wird, dass sogar Tränen fließen. Die Einschaltquoten waren garantiert, als der mittlerweile 44-jährige Taylor am vergangenen Sonntag in „60 Minutes“ sein verkorkstes Leben noch einmal Revue passieren ließ und dabei allerlei den Verkauf ankurbelnde Enthüllungen zutage förderte.

So sollen die New York Giants, für die Taylor dreizehn Jahre lang sehr erfolgreich Quarterbacks jagte, ihren Spielern eine zusätzliche Prämie gezahlt haben für jeden Tackle, der einen Gegner spielunfähig machte. Die Mehreinnahmen reinvestierte Taylor in die Dienste eines Begleit-Service: Am Abend vor Spielen schickte er Kontrahenten Prostituierte aufs Zimmer, um sie zu zermürben: „Man weiß ja, was den anderen gefällt, also macht man halt einen kleinen Anruf.“ Taylor reklamiert, nicht der Erfinder dieser Strategie zu sein. Er habe davon erfahren, als es am Tag vor einem wichtigen Spiel in Houston an seinem eigenen Hotelzimmer geklopft habe.

Schließlich stand er selbst dem horizontalen Gewerbe nie ablehnend gegenüber. Eines Tages, so Taylor, kam er in Handschellen zum Training. Der peinliche Auftritt sei allerdings nicht die Folge rechtlicher Schwierigkeiten gewesen, sondern: „Ein paar Damen wollten ihr neues Equipment ausprobieren. Dummerweise hatten sie den Schlüssel verlegt.“ Weitere Details erfährt man auch über die Drogenkarriere des Modellathleten, der während seiner aktiven Zeit bereits suspendiert und später mehrmals wegen Drogenbesitzes verhaftet wurde. In seinem ersten Profijahr hätte er mit Kokain begonnen, zwei Jahre später bereits 25 Gramm Crack täglich konsumiert: „Manchmal stand ich während eines Spiels auf dem Platz und hatte keine Ahnung, welchen Verteidigungsspielzug wir geplant hatten, weil ich nur daran denken konnte, wie ich nach dem Spiel wieder Crack rauchen konnte.“

Die damals in der NFL schon üblichen Dopingtests umging Taylor, indem er den Testern das Urin von vermeintlich sauberen Mannschaftskollegen unterschob. Trotzdem wurde er zweimal erwischt. Ein drittes Vergehen hätte seine Karriere endgültig beendet, also gab er Crack fünf Jahre auf – nur um am Tag nach seinem letzten Spiel 1994 sofort wieder damit anzufangen. Anschließend verwandelte er sein Haus für Jahre in eine Drogenhöhle. „Es war ekelhaft“, erinnert sich sein Agent Mark Lepselter. Einsicht und Therapie folgten erst 1999 nach einer letzten Verhaftung. Seitdem ist Taylor clean, arbeitet als Schauspieler, spielt Golf und reist als Drogenberater durch die Lande.

Trotz demonstrativer Reue und öffentlicher Umkehr ist mancher ehemalige Kollege nicht gut auf Taylor zu sprechen. Boomer Esiason, zu seiner aktiven Zeit eher durchschnittlicher Quarterback und mittlerweile TV-Kommentator, fühlte sich gar „persönlich angegriffen“ von Taylors Enthüllungen: „Das ist nicht die NFL, in der ich gespielt habe.“

Praktischerweise machte Esiason seine Äußerungen in einem TV-Studio, in dem zufällig auch Deion Sanders anwesend war. Der ehemalige Football- und Baseball-Profi konterte prompt: „Erzähl mir nicht, dass du nicht weißt, was in der Liga abgeht: Spieler kaufen Frauen, Spieler sind high.“ Als sich anschließend auch noch Quarterback-Legende Dan Marion einmischte, kam schnell eine nette, kleine Schlammschlacht in Gang. Lawrence Taylor wird’s gefreut haben. Sein Buch bekam die Werbung, die es verdiente.

THOMAS WINKLER