G 20 wollen Irak Schulden erlassen

Finanzminister und Notenbankchefs einigen sich auf neue Regeln für den Umgang mit überschuldeten Ländern. So sollen vor allem private Gläubiger geschützt werden. Eine konzertierte Intervention, um den Dollar zu stützen, ist indes nicht geplant

VON NICOLA LIEBERT

Zumindest ein Land kann sich über die Ergebnisse des G-20-Gipfels freuen: die USA. Die Finanzminister und Notenbankchefs der 20 großen Wirtschaftsmächte einigten sich in Berlin im Grundsatz darauf, dem Irak bis zu 80 Prozent seiner Schulden von 40 Milliarden US-Dollar gegenüber den westlichen Industrieländern zu erlassen. Gestern Nachmittag stimmte als Letztes Russland zu.

Schon lange hatten die Amerikaner auf einen umfassenden Schuldenerlass gedrängt, um wenigstens ein Problem weniger in dem von ihnen eroberten Land zu haben. Der irakische Schuldenberg dürfte sich auf 120 Milliarden Dollar belaufen. Von deutscher und französischer Seite hieß es aber noch vor einigen Monaten, mehr als 50 Prozent Schuldenerlass sei keinesfalls drin. Wie sollte man sonst viel ärmere Länder, die überdies nicht über gigantische Ölreserven verfügen, daran hindern, ihrerseits einen Erlass zu fordern? Finanzminister Hans Eichel (SPD) hatte einen weiteren Schuldenerlass für die ärmsten der Entwicklungsländer mit Hinweis auf die angespannte Haushaltslage abgelehnt. Der Bundesrepublik schuldet der Irak rund fünf Milliarden Dollar.

Der Kompromiss sieht nun vor, im ersten Schritt nur 30 Prozent der Schulden zu erlassen. Zwei weitere Schritte hängen davon ab, ob der Irak Auflagen des Internationalen Währungsfonds erfüllt. „So halten die Gläubiger sich die Option offen, sich einen Teil ihrer gestiegenen Ölrechnung wieder zurückzuholen“, kritisiert Jürgen Kaiser von der Initiative Erlassjahr.

Die G-20-Staaten begrüßen in ihrem Kommuniqué ausdrücklich die gerade erst von privaten Gläubigern und verschuldeten Entwicklungsländern beschlossenen „Prinzipien für stabile Kapitalflüsse und gerechte Umschuldung von Schwellenländern“. Gläubiger und Schuldner sollen sich demnach einem freiwilligen Verhaltenskodex beugen. Schon im Vorfeld von Umschuldungen soll es mehr Transparenz geben, etwa indem Gläubiger Einblick in die Bilanzen des Schuldnerstaats erhalten. Bei Bedarf sollen Gläubigerausschüsse eingerichtet werden. Keine Gläubigergruppe solle diskriminiert werden. Klar ist, wer eigentlich gemeint ist: Argentinien, das 2002 den Schuldendienst auf Staatsanleihen eingestellt hatte und nur die Rückzahlung von 25 Prozent des Nennwerts anbietet. Die argentinische Regierung hatte die Teilnahme am G-20-Gipfel kurzfristig abgesagt.

Die Frage der Wechselkurse wird im Kommuniqué nicht berührt. „Wechselkursfragen standen nicht auf der Tagesordnung“, erklärte Finanzminister Eichel. Statt gemeinsamer Interventionen beschlossen die G-20-Länder eine angebotsorientierte „Übereinkunft für nachhaltiges Wachstum“, die auf Haushaltsdisziplin, Preisstabilität sowie die Liberalisierung von Handel und Kapitalverkehr abhebt. Demnach müsse jeder an der eigenen Baustelle arbeiten: die USA an hohen Defiziten, Europa an Arbeitsmarktreformen, die ostasiatischen Länder sollten ihre Wechselkurse freigeben, und China solle den privaten Sektor fördern. Bundeskanzler Gerhard Schröder deutete allerdings an, dass Interventionen, um den teuren Euro gegenüber dem Dollar zu drücken, denkbar sind: „Sicher werden auch die EZB und andere Zentralbanken über eigene Möglichkeiten nachdenken, etwas zu tun.“