Edmund Stoiber in Leipzig abgefrühstückt

Angela Merkels Konkurrent von der bayerischen Schwesterpartei erhält auf dem CDU-Parteitag nur sparsamen Applaus. Um den Widerspruch zwischen ihren Sozial- und Steuerplänen aufzulösen, muss sich die Parteichefin aber mit der CSU einigen

AUS LEIPZIG ULRIKE WINKELMANN

Nach und nach, mit einem leichten Ächzen, standen die Delegierten dann doch noch auf, nachdem Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber geredet hatte. Sie klatschten nicht lange. Nein, verweigern wollte der Parteitag der CDU dem Gast von der bayerischen Schwesterpartei CSU die stehenden Ovationen nicht. Aber gefeiert fühlen sollte er sich hier in Leipzig eben auch nicht, der Konkurrent der CDU-Chefin Angela Merkel.

Stoiber hatte den 1.001 Nichtbayern im Saal eine satte Packung Opfer und Einschnitte mitgebracht. „Wir leisten uns mehr als wir leisten“, erklärte der CSU-Chef. Seine Botschaft: Deutschland ist pleite, Umverteilung ist out, weiteres Schuldenmachen verantwortungslos. „Schuldenabbau ist die Mutter aller Reformen“, rief Stoiber.

Doch Stoiber wollte nicht bloß deutlich machen, dass er für ein schuldenfinanziertes Vorziehen der Steuerreform mit Rot-Grün nicht zu haben sei. „Wir müssen bei allen Maßnahmen und Reformvorschlägen die Finanzierung immer fest im Blick haben“, sagte er. Was sich als Ankündigung verstehen ließ, dass die CSU der Kopfpauschale für die Krankenversicherung nicht zustimmen werde – solange nicht klar ist, wie der Sozialausgleich für Arme bezahlt werden soll.

Wie nahezu alle Rednerinnen und Redner auf dem Parteitag schwelgte auch Stoiber ausführlich im Thema Kinder. Wer will, kann im Beschwören des höchsten Wesens Kind einen Akt ideologischer Kompensation von Konservativem erkennen, die von Volk und Nation nicht mehr reden dürfen. An der Frage, wie Kinderkriegen adäquat belohnt werden könnte, war am Vorabend der einzige veritable Streit des Parteitags ausgebrochen. Gegen den Willen der mächtigen Antragskommission setzte die Frauenunion durch, dass auch vor 1992 geborene Kinder bei der Rente stärker angerechnet werden sollen – auf Kosten der Kinderprämie aktueller Eltern, die sich die CDU von der Schwesterpartei abgeguckt hatte.

Stoiber bedauerte dies zwar, hielt sich jedoch nicht lange damit auf. Lieber lobte er das Steuerkonzept von CDU-Vize Friedrich Merz und kam hier zur entscheidenden Forderung an die CDU: „Am Ende müssen Sozialreformen und Steuerreformen gut zusammenpassen. Das wird noch sehr schwierig werden.“

Um diese Frage scherte sich besagter Friedrich Merz in seiner Rede herzlich wenig. Mit der Verve des unangefochtenen Experten verfocht er sein Steuerkonzept, das allein den „Zustand voranschreitender Chaotisierung des deutschen Steuersystems“ beheben könne. „Das Einkommensteuergesetz ist nicht mehr reformfähig!“, rief Merz. Sein Konzept sieht vor, sämtliche Ausnahmen bei der Einkommensteuer abzuschaffen – mit drei Ausnahmen: Familienstand, Altersvorsorge und Spenden.

Drei Steuersätze von 12, 24 und 36 Prozent sollen gestaffelt für alle Einkommen gelten. Und: „Einen Spielraum nach oben gibt’s nicht mehr.“ Der Spitzensteuersatz plus Kirchensteuer und Solizuschlag müsse international konkurrenzfähig bleiben. Dies war eine klare Absage an Angela Merkel, die tags zuvor gefordert hatte, die Steuersätze an den Sozialausgleich bei den Kopfpauschalen anzupassen. CDU-internen Berechnungen zufolge müssten die Merz’schen Zahlen dazu um je einen Prozentpunkt erhöht werden.

Nun hat die CDU sowohl die Kopfpauschale mit steuerfinanziertem Sozialausgleich als auch die Merz’sche Steuerreform mit krassen Steuersenkungen zu ihrem Vorhaben erklärt. Das sind zwei Züge, die in entgegengesetzte Richtungen fahren. Merkel wird eine Einigung mit dem nicht beklatschten Stoiber brauchen, um ein gemeinsames Gleis zu finden.