Protestcamp der Grauhaarigen

Die Bürgerinitiative Bergbaubetroffener am Niederrhein campiert vor der Düsseldorfer Staatskanzlei, um gegen Kohleabbau unter dem Rhein zu protestieren – wohl organisiert, mit Kuchen und Braten

AUS DÜSSELDORFKLAUS JANSEN

Für das Protestcamp hat sich Gerda-Maria Schmitz extra schick gemacht. Türkiser Lidschatten und ein lila-farbener Schal leuchten hinter einer kleinen Spendenbox hervor, die die robuste 62-jährige auf einem kleinen Holztisch im nieselregen-festen Rotkreuzzelt aufgebaut hat. Es gibt Kuchen und Schweinebraten, Gerda-Maria Schmitz und ihre Kollegen von der „Bürgerinitiative Bergbaubetroffener am Niederrhein“ (BIB) haben ihr Camp vor der Düsseldorfer Staatskanzlei gemütlich eingerichtet.

Fünf Tage lang, von Montag bis Freitag, wollen die Aktivisten vor dem Amtssitz von Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) campieren, um auf die Folgen des Steinkohleabbaus unter dem Niederrhein aufmerksam zu machen. Es ist die erste Demo, die an diesem prominenten Platz statt finden darf. Drei Zelte, einen Grill und ein türkises Dixiklo haben die Bergbaugegner vor dem mächtigen Glaspalast der NRW-Landesregierung platziert. Bis zu 90 Menschen aus Dinslaken, Voerde und Walsum wollen dort als Mahnwache ausharren, für die Nacht stehen acht Pritschen bereit – bequem sehen die mit Leinen bespannten Holzkonstruktionen nicht aus. Die meisten der Protestler sind Rentner. „Eigentlich sollten wir in unserem Alter warm im Bett liegen. Aber dafür haben wir keine Zeit“, verkündet Schmitz mit heiserer Stimme. Die Zeit drängt für die Anwohner des Niederrheins: Sie befürchten, dass durch Bergbauabsenkungen das Trinkwasser rund um das Löhnener Wasserwerk in die umgekehrte Richtung fließt – und dass durch verunreinigtes Rheinuferfiltrat ihr Trinkwasser verseucht wird.

Seit Jahren kämpft die BIB gegen den Steinkohleabbau unter dem Rhein, gegen Bergbausenkungen, die die Rheindeiche gefährden. Kopf der Bewegung ist Klaus Friedrichs. Der Rechtsanwalt und SPD-Ratsherr trägt eine Krawatte unter seinem Wollpulli. Er steht im so genannten „Informationszelt“ des Protestcamps und hängt bedrucktes Milimeterpapier an Aufstellwände. „Das sind alles Originalkarten der Deutschen Steinkohle AG“, sagt er nicht ohne Stolz. Dann startet Friedrich seine Erklärungen: Die schraffierten Flächen auf den Karten markieren das Gebiet, unter dem bereits Kohle abgebaut worden ist. Die Gebiete, in denen in den kommenden Jahren noch Kohle abgebaut werden soll, sind türkis markiert. Lange wird der Abbau nicht mehr dauern: Im Jahr 2006 schließt die Zeche Lohberg, Ende 2008 will die RAG das Bergwerk Walsum dicht machen – so will es der Kohlekompromiss mit der Bundesregierung. Doch gerade die beschlossene Stilllegung macht nach Meinung der Bürgerinitiative einen weiteren Abbau sinnlos: „Der Skandal ist doch, dass für ein paar Monate Abbau das Wasser auf ewig verseucht werden soll“, sagt der Camper Hans Heiner Kampen.

BIB-Chef Friedrichs spricht vor seinen Karten mittlerweile von Wasserflussrichtungen und durchbrechenden Lehmschichten – und von der kommenden Landtagswahl. „Von Steinbrück ist nichts zu erwarten“, sagt er. Dann eher schon von der FDP: „Wenn wir statt Horstmann von der SPD einen liberalen Energieminister in einer schwarz-gelben Regierung hätten, würde er den Bezirksregierungen als Genehmigungsbehörden für den Bergbau schon raten, das strenger zu kontrollieren“, prognostiziert Friedrichs. Nicht von ungefähr wird am Mittwoch Gerhard Papke, seines Zeichens wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP, als Redner im Camp erwartet.

Als Wahlkampfhilfe für die Opposition wollen die Camper ihren Auftritt nicht allerdings verstanden wissen. Nur Gerda-Maria Schmitz, die von sich selbst behauptet, „eine deftige Sprache zu haben“, wird deutlich. „Die Höhn hat kein Rückgrat. Die soll mal kommen“, kräht sie. Doch Höhn kommt nicht. Der einzige Vertreter der Landesregierung, der die Staatskanzlei verlässt, ist deren Chef Wolfram Kuschke. Doch bevor Frau Schmitz ihm wie versprochen „Hordenkeile“ androhen kann, sitzt der SPD-Mann in seiner silbernen Dienstlimousine und rauscht davon.