cdu-parteitag
: Eine konservative Revolution

Die Leipziger Beschlüsse der CDU sind eine Revolution – eine konservative Revolution von oben. Die Pläne zum Umbau des Sozialstaates waren nur durchsetzbar, weil die Partei ahnte, dass ihre augenblickliche Stärke auf der Schwäche der rot-grünen Regierung beruhte. Um in der Popularität nicht wieder abzurutschen, mussten neue Inhalte her. Die Vorsitzende Angela Merkel braucht zudem ein starkes Programm, um bei der Kanzlerkandidatur ihr fehlendes Charisma zu ersetzen und den Weg der Union nachhaltig mit ihrem Namen zu verbinden.

Kommentarvon LUKAS WALLRAFF

Und sie hat erkannt, dass die CDU sich den Bruch mit ihrer Vergangenheit nur in Zeiten der Opposition und ohne nahe Landtagswahlen traut. Denn die Christdemokraten brauchen Zeit, sich von der Kohl-Wärme der letzten zwei Jahrzehnte zu verabschieden. Dazu gehört auch, dass sich die Partei letztlich überrumpeln ließ. Tatsächlich haben die wenigsten Delegierten im Detail verstanden, was Merkel, Friedrich Merz und Roman Herzog ihnen vorgesetzt haben. Die meisten ahnten, dass da vieles nicht zusammenpasst.

Aber das war nicht so wichtig – wichtig war die Botschaft, die ihnen die Parteitagsregie einhämmerte und die sie bereitwillig annahmen: Wir blockieren nicht. Wir tun was. Wir sind wieder wer. Wir, die CDU. Die Delegierten gingen mit einem wohligen Gefühl nach Hause: Im Angesicht ihrer geballten Kraft muss sich Gerhard Schröder verstecken – und auch Edmund Stoiber.

Inhaltlich bedeuten die Leipziger Beschlüsse der CDU den Abschied vom auf Solidarität beruhenden sozialpolitischen Konsens, der die alte Bundesrepublik geprägt hat. Sie bedeuten auch einen radikalen Wandel im Verhältnis zwischen den Schwesterparteien. Die veränderte Lage bekam CSU-Chef Edmund Stoiber bei seinem Gastauftritt in Leipzig zu spüren. Er wurde höflich geduldet – als einer der vielen Ministerpräsidenten der Union. Gleichberechtigter Partner? Möglicher Kanzlerkandidat, auf den man hört? Das war einmal. Mit der Sachentscheidung für die Kopfpauschalen in der Krankenversicherung hat Merkel auch den Kampf um die Vorherrschaft in der Union gewonnen.

Daran werden auch Korrekturen von Herzogs Sozial- und Merz’ Steuerkonzept nichts mehr ändern. Die CSU kann das soziale Gewissen der Union spielen, aber den Kurs nicht mehr ändern. Die CDU ist jetzt die Nummer eins in der Union und Merkel die Nummer eins der CDU.

inland SEITE 7