Überwachen, beschatten, abhören

Neonazizentrum „Heisenhof“ bei Dörverden ist trotz Boykotts der Heizöllieferanten in Betrieb: Am Wochenende trat ein „Veteran“ der Bewegung auf

Kaum aus dem Knast trat der Terrorist als Sicherheitsberater der NPD auf

Dörverden taz ■ Das Neonazizentrum „Heisenhof“ ist in Betrieb. Am Samstag fand die erste Bildungsveranstaltung auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände bei Dörverden statt. Bis weit in den Abend hinein lauschten die jungen Kameraden dem „Veteranen“ der Bewegung, Peter Naumann. Die Themen des Referenten der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD): „Ausgeruht den Feind erwarten“ und „Überwachen, Beschatten und Abhören –Methoden der Observation“.

Naumann weiß, wovon er spricht: Das Oberverwaltungsgericht Frankfurt verurteilte den heute über 50-Jährigen 1988 wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung und mehreren Sprengstoffanschlägen zu vier Jahren und sechs Monaten Haft. Kaum entlassen, trat er 1990 als „Sicherheitsexperte“ bei der NPD und den Freien Kameradschaften auf.

Die Kameraden aus Winsen an der Luhe reisten am Samstag als Erste an. Sie halfen den Heisenhof-Bewohnern dabei, den Veranstaltungsraum im alten Bundeswehrcasino herzurichten. Da örtliche Heizöllieferanten sich geweigert hatten, den Hof zu beliefern, mussten sich die Rechten für ihre politische Schulung warm anziehen. Da half auch die kleine elektrische Heizung nicht viel, die sie eiligst herangeschafft hatten.

Auf Einladung des neu gewählten stellvertretenden Bundesvorsitzenden der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN), Florian Cordes aus Achim, kamen über 20 Personen auf den Hof. Unter ihnen der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende Adolf Dammann aus Buxtehude und die Freien Kameraden um Andreas Hackmann aus Bremen. Der zum NPD-Ordnertrupp gehörige Andreas Hemann lud massenweise Bücher und Propagandamaterial aus dem Wagen. Nach Insiderangaben soll auf dem Heisenhof mit etwa 3.325 Quadratmeter Wohn- und Tagungsfläche eine Bibliothek errichtet werden.

Die Polizei patrouillierte derweil auf der nahe liegenden Landstraße. Der niedersächsische Verfassungsschutz räumt ein, dass auf dem Anwesen von Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger ein „Strategiezentrum“ entstehen könnte. Es heißt inzwischen sogar, dass sich in Dörverden internationale Veranstaltungen europäischer Neonazis abspielen können.

Die Ankündigung der Verdener Oberkreisverwaltung, jede Baumaßnahme und Wohnraumnutzung genau zu überprüfen, bremst Riegers Bestrebungen kaum. Auf dem Gelände leben sechs Neonazis mit zwei Kleinkindern.

„Das Wohnen auf dem Hof ist formal illegal“, betont nun Oberkreisdirektor Walter Jahn. Die Überprüfung der Nutzungsrechte dauerte so lange, sagt er, weil die Verantwortlichkeit früher bei der Standortverwaltung lag: „Wir hatten keine Akten“. In dieser Woche muss Rieger nun Stellung nehmen. „Dann könnte ein Verbot erfolgen“, hebt Jahn hervor.

Trotz der Androhung erhöhen die Neonazis nicht nur ihre Renovierungsaktivität. Während einer Veranstaltung zum „Heisenhof“ im Bremer DGB-Haus beschossen „Unbekannte“ die Hausrückseite mit Farbpatronen und „Projektil oder Stahlkugel“. Am Freitag starteten die Heisenhofer ihre „Schuloffensive“. Erneut verteilten sie vor den Schulen ihre JN-Zeitung „Der Rebell“. Erst als eine Lehrerin vom Verdener Gymnasium am Wall einschritt, verschwanden sie.Andrea Röpke / Andreas Speit