Herz für Underdogs

„Karamelo Santo“, das Aushängeschild der aufmüpfigen argentinischen Musikszene, tourt durch den Norden

Die „Heiligen Bonbons“ solidarisieren sich mit den Blockaden der Arbeitslosen

Die St.Pauli T-Shirts haben Karamelo Santo schon bei ihrer Booking Agentur geordert. Letztes Jahr waren sie im Sommer auf Visite im maroden Stadion des Hamburger Fußball-Underdogs. Bei der diesjährigen Tour ist der Stadionbesuch Pflicht – im adäquaten Fan-Outfit.

Karamelo Santo haben etwas übrig für Underdogs. Die Band, die in Argentinien so etwas wie das Aushängeschild der unabhängigen Musikszene ist, hat sich mit den piqueteros, den Arbeitslosen, die die Straßen blockieren und einen Wegezoll erheben, solidarisiert und ab und zu Konzerte zu deren Gunsten gegeben.

In ihren Texten („La Picadura“) benennen sie klar und deutlich einen schwergewichtigen Mitschuldigen für die argentinische Misere: den Internationalen Währungsfonds (IWF). „Der IWF ist eine hinterhältige Institution. Auf der einen Seite hilft er mit Krediten, auf der anderen sorgt er dafür, dass sich die Situation der Bevölkerung verschärft“, schimpft Pedro Rosafa, Percussionist und Sänger von Karamelo Santo. Die Auswirkungen der IWF-Rezepte haben Karamelo Santo in La Boca, einem Stadtviertel von Buenos Aires, täglich vor Augen. Verarmung, steigende Kriminalisierung und fehlende Perspektiven prägen den Alltag. Interesse von größeren Labels hat es für die Band, die Cumbia, Merengue und Salsa genauso liebt wie Ska, Punk und Reggae, nie gegeben.

Alle der bisher vier CDs sind in Eigenregie entstanden. Zuletzt Haciendo Bulla, die im Juni in Argentinien und nun, rechtzeitig zum Tourstart, in Deutschland erschienen ist. „In Argentinien ist der Vertrieb unser größtes Problem. Bei uns läuft er über ein Netzwerk von kleinen Agenturen, die wiederum mit zahlreichen Bands zusammenarbeiten. So ist in den letzten Jahren ein Netzwerk der unabhängigen Musik entstanden“, beschreibt Goy das Ergebnis jahrelanger Pionierarbeit.

Zu der zählt auch das eigene Studio, in dem nicht nur die eigenen CDs sondern auch die von befreundeten Bands wie Resistencia Suburbana oder Neglisa Negast aufgenommen und produziert werden. Und die eigenen Strukturen haben noch einen Vorteil: „Dank unserer unabhängigen Strukturen müssen wir uns keine Sorgen machen, von einem Mayor einen Tritt zu bekommen“, urteilt der 36-jährige Mastermind von Karamelo Santo.

Auch ohne Mayor im Rücken läuft es für Karamelo Santo immer besser. Mit ihrer Musik, in der sich Einflüsse von Mano Negra und der Tangolegende Carlos Gardel, von Reggae und Techno mischen, sind sie bei MTV in Argentinien mittlerweile Stammgast. Auch die letzte Tour in Mexiko war ein Erfolg. Wetten, dass sie auch die deutschen Clubs im Handstreich nehmen?

Knut Henkel

29.11., 21 Uhr, Hannover, Chez Heinz; 1.12., 20 Uhr, Bremen, Lagerhaus; 2.12., 21 Uhr, Göttingen, Musa; 5.12., 20 Uhr, Hamburg, Knust