Drahtzieher, kein Geiselnehmer

Urteil im Prozess um die Besetzung der SPD-Zentrale durch KurdInnen: Zweieinhalb Jahre Haft für den Angeklagten vor allem wegen PKK-Mitgliedschaft

Im entscheidenden Punkt folgte das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) dem Begehren der Bundesanwaltschaft (BAW) gestern nicht: Vier Jahre nach der Besetzung der Hamburger SPD-Zentrale durch SympathisantInnen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) sieht das Gericht keinen Anhaltspunkt für eine damals geplante Geiselnahme. Doch im Wesentlichen kamen die Richter dann doch dem Votum der Anklage nach und verurteilten Ali Z. zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft. Vorwurf: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Der 48-Jährige habe als damaliger PKK-Funktionär die Befehlsgewalt über die Aktion gehabt, sagte der Vorsitzende Richter Ernst-Rainer Schudt in der Urteilsbegründung.

Um zu diesem Votum zu kommen, bedurfte es einiger advokatischer Winkelzüge. Denn Ali Z. hatte damals an der Aktion nach der Verhaftung von PKK-Chef Abdullah Öcalan nicht einmal direkt teilgenommen. Und schon mehrere Teilnehmer sind wegen angeblicher „Rädelsführerschaft“ verurteilt worden, andere hingegen ohne jegliche Bestrafung wegen ihres Idealismus davongekommen.

Zur Erinnerung: Am 17. Februar 1999 waren rund 30 KurdInnen in die SPD Zentrale an der Kurt-Schumacher-Allee eingedrungen, um gegen die Verhaftung des PKK-Chefs zu protestieren. Aufgrund des Polizeiaufgebots drohte die Situation schnell zu eskalieren. SPD-Kreisgeschäftsführer Dirk Sielmann wurde von KurdInnen provokativ aus dem Fenster gehalten.

Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme tauchte auch mittags Ali Z. am Ort des Geschehens auf. Was Ali Z. nicht wusste: Der kurdische Parlamentarier wurde damals unabhängig von der Aktion im Rahmen eines aufwendigen „Strukturermittlungsverfahrens“ gegen die PKK abgehört, da man in ihm als „Regionalverantwortlichen Nord-West“ eine Schlüsselfigur sah. Und da er an jenem Tag vor dem SPD-Haus per Handy mit GenossInnen telefonierte, wurde er von der Bundesanwaltschaft kurzerhand drei Jahre nach der Aktion zum Drahtzieher der SPD-Besetzung erkoren.

Die BAW hatte vor zwei Wochen drei Jahre und neun Monate Haft wegen Geiselnahme beantragt. Verteidiger Hans-Jürgen Schneider begrüßte, dass der Urteilsspruch unterhalb des Antrags der BAW geblieben ist. Kai von Appen