Gute Politik statt Propaganda

betr.: „Arbeitsamtmann Gerster wirft Ballast ab“, „Florian Gerster in der Glaubwürdigkeitskrise“ (brennpunkt), taz vom 27. 11. 03, „Gerster hält die Dokumententasche zu“, „Wunder der Kommunikation“, taz vom 29. 11. 03

Die Auftragsvergabe an die Firma WMP ist nicht der Skandal. Der Skandal liegt darin, dass die Politik Aufgaben der öffentlichen Verwaltung gezielt auslagert und an Institute vergibt, die der öffentlichen Transparenz quasi entzogen sind und die als Hauptaufgabe das Sponsoring von Politikern durch Nebeneinkommen über assoziierte Vereinigungen betreiben. Hunzinger ist nicht der Einzige, der seine Leckerlis teilt. Kirch sponserte u. a. Kohl und Möllemann mittels hochdotierter Beraterverträge. Warum soll nicht Gerster über WMP Genscher sponsern? Hatte sich doch Gerster bei der Amtseinführung als Mann aus der Wirtschaft eingeführt, weil er, der gelernte Psychologe, langjährige Bundestagsabgeordnete und Oberstleutnant sowie ehemaliger Sozialminister von Rheinland-Pfalz – also gelernter Berufspolitiker – eine private Beratungsfirma mitbetrieben habe. Wer dort womit beraten wurde, hat er damals nicht gesagt. Anstößig fand das keiner. […] ANDREAS KOEGLER, Lorsch

Wie auf der Internetseite zu erfahren, besteht die Dienstleistung der WMP darin, dass sie über „einflussreiche Gesellschafter und Berater“ sowie über „seriöse Verbindungen zu führenden Persönlichkeiten“ verfügt. Mit anderen Worten: Wenn ich einen Entscheidungsträger in Wirtschaft, Medien oder Politik schm… äh positiv beeinflussen möchte, aber noch nicht weiß, welchen, dann kann mir die WMP helfen. Nun wäre es zu viel verlangt, die Einflussnahme dahingehend zu betreiben, dass die führenden Persönlichkeiten demnächst viereinhalb Millionen Stellen ausschreiben. Nein, hier geht es speziell um Herrn Gersters Job. Herr Gerster hat ja seinerzeit Herrn Jagoda abgelöst, weil er glaubte, er könne das alles viel besser; und nun hat er ein Imageproblem. Und gerade da ist die WMP genau der richtige Partner! Dank ihrer hochkarätigen Kontakte weiß sie, wie viel man anlegen muss, damit ein taz-Kommentator den rot-grünen Kahlschlag als „überfällige Reformen“ darstellt und uns später, wenn die Arbeitslosigkeit trotz Hartz weiter steigt, damit tröstet, die Politik könne nun mal keine Arbeitsplätze schaffen.

Für Herrn Gerster wäre es natürlich fatal, wenn der Bundesrechnungshof die für solcherart Medienarbeit anfallenden nützlichen Ausgaben in seinen Akten fände. Aber das ist ja der Vorteil beim Outsourcing: Derlei Kosten sind in dem Pauschalpreis inbegriffen, was den Betrag von 1,3 Millionen in ganz anderem Licht erscheinen lässt. […] GERHARD PAULI, Düsseldorf

Bei steigenden Arbeitslosenzahlen gibt der Chef dieser ohnehin umstrittenen Behörde also Geld dafür aus, die ganze Misere von fast fünf Millionen Arbeitslosen noch als Erfolg zu verkaufen oder abzumildern? Denn wirkliche Erfolge hat er ja nicht aufzuweisen. Das wären sinkende Arbeitslosenzahlen.

Daher ist das ganze Verfahren schon ein starkes Stück. Denn dies alles geschieht bei knappen Kassen und es greift gerade in jenen Etat, der den Bundeshaushalt mit Abstand schon am meisten belastet – auch ohne fragwürdige Marketingmaßnahmen. Unverständlich ist, dass sich Gerster noch immer im Amt befindet. Denn während der Herr in Nürnberg sorglos den Marketingstrategen die Millionen über den Tisch reicht, müssen Erwerbslose künftig mit knapp 400 Euro auskommen und sich genau überlegen, wofür sie das Geld ausgeben. […] PETER ALBRECHT, Plauen

Gerster war gut beraten, eine teure Imagepflege einzukaufen. Bei der Gutsherrenart, die er praktiziert, war das die letzte Möglichkeit, die eigene Haut zu retten. Gute Politik braucht keine Propaganda. Das merken die Leute selbst. DIETER WEHKING, Minden