RUSSLAND GEFÄHRDET DAS KIOTO-PROTOKOLL – UND SCHADET SICH SELBST
: Klimapolitik à la Nordkorea

Endlich kann sich Russland mal wieder als Großmacht fühlen: Wenigstens bei den Verhandlungen um die Zukunft des Kioto-Protokolls zum Klimaschutz zählt Russlands Veto noch. Das hat Präsident Putins Wirtschaftsberater Illarionow bei der Klimakonferenz in Mailand klar gemacht. Denn die Welt braucht Russland: Nach dem Ausstieg der USA aus dem Kioto-Prozess kann das Protokoll nur mit den Stimmen Russlands in Kraft treten.

Vor diesem Hintergrund nimmt Russland den Klimaschutz als Geisel. Das Kalkül: Ohne uns und gegen uns geht gar nichts – wenn wir schon nicht gestalten können, können wir doch wenigstens das ganze Spiel verderben. Das ist Politik, um aus der Schwäche heraus Stärke zu demonstrieren. So wie Nordkorea mit seinen Atomwaffen herumfuchtelt, um ernst genommen zu werden, wedeln Putin & Co. mit dem Kioto-Protokoll.

Ironischerweise könnte Russland einer der großen Profiteure von Kioto werden. Denn das Land emittiert durch seinen wirtschaftlichen Niedergang nun 35 Prozent weniger CO2-Emissionen, als ihm zusteht. Diese „heiße Luft“ könnte Russland auf einem internationalen Markt anbieten, damit andere Länder weniger Anstrengungen beim Klimaschutz unternehmen müssen – selbst wenn der größte potenzielle Abnehmer für die Lizenzen, die USA, ausgefallen ist. Auch von den gemeinsamen Projekten zum Klimaschutz könnte Russland massiv durch Investitionen aus dem Westen profitieren – allerdings erst, wenn Kioto funktioniert.

Warum funktioniert es nicht? Das Regelwerk hat zu viele Schlupflöcher, und es zieht kaum Konsequenzen bei Verstößen nach sich. Doch das wirkliche Problem ist nicht das Papier, sondern die Haltung der Staaten, die es unterzeichnet haben. Sie haben gemerkt, dass Kioto tatsächlich „den Interessen der Wirtschaft“ zuwiderläuft, wie es die USA und nun auch der Berater Putins erklären – einer Wirtschaft, die ohne Rücksicht auf Verluste und auf die Zukunft arbeitet.

Konferenzen wie die in Mailand sind trotzdem sinnvoll. Denn Kioto ist das einzige und damit beste Klimaschutzabkommen, das wir haben. Immerhin haben sich die Staaten der Welt zum ersten Mal darauf geeinigt, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren. Immerhin ist die globale Erwärmung bei allen vernünftigen Menschen als Problem erkannt. Immerhin haben Länder wie Deutschland, Großbritannien und Schweden den Anfang gemacht zu einer zukunftsfähigen Energieversorgung. Immerhin haben damit Umweltschützer ein Werkzeug in der Hand, um Regierungen und Unternehmen ihr Nichtstun und ihre Vertragsbrüche vorzuwerfen. Kioto ist nur ein erster Schritt. Aber immerhin ein Schritt nach vorn. BERNHARD PÖTTER