Die Ein-Euro-Jobber begehren auf

Betroffene der Sozialreform „Hartz IV“ versammeln sich erstmals in Berlin. Arbeitslose wollen die ihnen aufgedrückten Ein-Euro-Jobs nicht hinnehmen. Sie planen die Einrichtung von Info-Cafés und weitere Protestaktionen Anfang Dezember

VON RICHARD ROTHER

Noch sind sie es nicht, aber sie könnten es werden: Ein-Euro-Jobber. Und sie begehren jetzt schon auf, weil sie die Billig-Jobs, zu denen sie ab Januar verpflichtet werden können, nicht haben wollen. Deshalb trafen sich am Montagabend rund 60 potenzielle Ein-Euro-Jobber und Anti-Hartz-Aktivisten zur ersten Berliner Betroffenenversammlung in einem Kreuzberger Hinterhof-Café. Das Ziel der Veranstaltung: Informationen über bestehende Ein-Euro-Jobs beziehungsweise entsprechende Angebote zu sammeln und Gegenstrategien zu entwickeln.

Zu Wort meldeten sich aber nur wenige konkret Betroffene. Immer wieder kreiste die Diskussion um einzelne Rechtsfragen, um allgemeine Befürchtungen und die politische Kritik an den Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung und geplante Gegenaktionen. „Ich hoffe, dass ihr alle fleißig Widerspruch einlegt, wenn euch ein Ein-Euro-Job zugewiesen wird“, forderte eine der Rednerinnen.

Damit stieß sie bei den Anwesenden auf offene Ohren. Eine arbeitslose Akademikerin bezeichnete den Ein-Euro-Job, der ihr angeboten worden sei, als „Qualifizierung zur Hilfsarbeiterin“. Auch sei das Angebot unspezifisch gewesen, von der Küchenhilfe über Bürotätigkeiten bis zur Reinigungskraft sei alles drin gewesen. Den Job habe sie abgelehnt, aber ab Januar werde es gefährlich: „Dann ist man dem Fallmanager des Arbeitsamtes hilflos ausgeliefert.“

Nicht die Dequalifizierung durch Ein-Euro-Jobs sei das Problem, hob eine andere hervor, sondern der Zwangscharakter der Arbeit. „Ich will auch nicht, dass arbeitslose Banker für einen Euro in einer Schuldnerberatung eingesetzt werden.“ Fragwürdig seien auch die versprochenen Qualifizierungsmaßnahmen für Ein-Euro-Jobber. Dem pflichtete ein Mann aus einem ABM-Projekt bei, das Parks und Gärten pflegt. Die angesetzten Qualifizierungsstunden liefen meist so ab, dass der Chef frage, ob jemand etwas wissen wolle. „Wenn nicht, können alle früher nach Hause gehen.“ Klar sei, was dann passiere.

Am Ende der Veranstaltung entstand dann doch so etwas wie Aufbruchstimmung. Die Hartz-IV-Betroffenen wollen Ein-Euro-Jobber-Cafés einrichten und sich an den Anti-Hartz-Aktionen am 6. Dezember und 3. Januar beteiligen. Und die nächste Betroffenenversammlung findet in vier Wochen statt.