Körting rettet Verfassungsschutz vor der Hölle

Innensenator gibt zu: Dem Verfassungsschutz waren schon seit längerem „kritische Äußerungen“ des umstrittenen islamischen Hasspredigers bekannt. Diese hätten aber keine Dauer-Überwachung des Imams gerechtfertigt

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wehrt sich gegen Kritik am Verfassungsschutz. Nach seiner Darstellung trifft es nicht zu, dass die Behörde Aktivitäten eines Hasspredigers in der Kreuzberger Mevlana-Moschee verschlafen habe und erst durch einen ZDF-Beitrag darauf aufmerksam geworden sei. Der taz sagte er, den Sicherheitsbehörden liege vielmehr schon länger ein Mitschnitt einer Predigt vor, die ebenfalls „kritische Äußerungen“ enthalte. Die hätten aber, anders als das ZDF-Material, nicht zu Ermittlungen gegen den Prediger ausgereicht. Körting lässt seit dem Fernsehbeitrag prüfen, ob die Predigt Volksverhetzung und Beleidigung und damit eine Straftat war.

In dem vor zwei Wochen im ZDF-Magazin „Frontal 21“ ausgestrahlten Videomitschnitt sagt der türkisch predigende Imam unter anderem, allen Deutschen drohe das Höllenfeuer, weil sie ungläubig seien. An einer anderen Stelle heißt es – laut Übersetzung des Senders – über Deutsche: „Ihr Schweiß verbreitet einen üblen Geruch, und sie stinken.“ Der inzwischen suspendierte Prediger hat in einem vergangene Woche veröffentlichten Brief um Verzeihung für seine Äußerungen gebeten: Sie seien verletzend und falsch gewesen.

Verbreitet wurde diese Erklärung über den Dachverband Islamische Föderation, dem die Mevlana-Moschee angehört. Zur Föderation, die als Tarnorganisation des vom Verfassungsschutz beobachteten Verbands Milli Görüs gilt, zählen weitere Moscheen in Berlin. Sie gibt zudem nach eigenen Angaben an über drei Dutzend Berliner Schulen rund 4.300 Mädchen und Jungen islamischen Religionsunterricht.

Der Imam sei den Berliner Sicherheitsbehörden auch vor dem ZDF-Beitrag kein Unbekannter gewesen, räumte Körtings Innenverwaltung gestern ein. „Äußerungen dieser Prägnanz aber waren uns zuvor nicht bekannt.“ Parallel zu den strafrechtlichen Ermittlungen des Landeskriminalamts prüft die Ausländerbehörde, ob diese Äußerungen hinreichender Grund für eine Ausweisung sind.

Laut Innenverwaltung hängt eine Ausweisung nicht davon ab, ob tatsächlich der Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist. Ergebnisse lagen dazu gestern noch nicht vor, obwohl Körting schon vor einer Woche erklärt hatte, er wolle den Fall „in den nächsten Tagen“ geklärt haben. „In einem Rechtsstaat braucht so etwas eben Zeit“, rechtfertigte sich der Senator.

Körting wies gestern auch den Vorwurf zurück, gerade der bereits vor dem ZDF-Beitrag vorliegende, ältere Mitschnitt – mit gegen Israel und Amerika gerichteten Aussagen – hätte die Sicherheitsbehörde auf den Prediger fixieren müssen. Dazu verwies er auf die Meinungsfreiheit als hohes Gut. „Auch wenn jemand sich in verfassungsfeindlicher Richtung geäußert hat, ist das kein hinreichender Anlass, ihn flächendeckend zu überwachen“, sagte er der taz. Das stehe einem Rechtsstaat nicht zu. Körting stuft den Prediger als nicht gewaltbereit ein. Er setzt darauf, dass Muslims bei solchen Äußerungen selbst aufhorchen und sich an den Staat wenden.

Der Verfassungsschutz sprach gestern von personellen Verbindungen zwischen der Islamischen Föderation und Milli Görüs. Behördensprecher Claus Guggenberger mochte allerdings – mit Verweis auf den Datenschutz – nicht bestätigen, dass das auch auf den Kreuzberger Prediger zutrifft.

STEFAN ALBERTI