Sommer und Hundt auch im Geheimen uneins

In vertraulichen Gesprächen redeten DGB und Arbeitgeber über Öffnungsklauseln bei Tarifverträgen – ohne Fortschritte

BERLIN taz ■ Nach mehreren Geheimgesprächen war deutlich: Gewerkschaften und Arbeitgeber haben sich nichts mehr zu sagen. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer und Arbeitgeberchef Dieter Hundt gaben am Dienstagabend bekannt, dass sie ihre diskreten Verhandlungen über weitere Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen ergebnislos abgebrochen hatten.

Die beiden Verbandsfunktionäre scheiterten an einem unüberwindlichen Interessensgegensatz. Hundt verlangte verbindliche Zusagen für künftige Tarifverträge. Konkrete Absprachen konnte Sommer jedoch nicht treffen. Schließlich führt nicht der DGB die Tarifverhandlungen, sondern die einzelnen Gewerkschaften in vielen tausend Tarifkommissionen. Dort hat man sich durchaus schon zu Öffnungsklauseln durchgerungen: Bereits über ein Drittel aller Firmen hat tariflich Sonderregelungen genutzt.

Kein Scheitern ohne Schuldzuweisungen: Hundt nannte gestern einige Gewerkschaftsführer „Blockierer“ und Sommer attackierte „Scharfmacher aus dem Wirtschaftslager“. Ursprünglich einte die beiden geheimen Unterhändler jedoch ein gemeinsames Interesse: keinesfalls wollten sie zulassen, dass sich der Gesetzgeber in die Tarifautonomie einmischt.

Diese Drohung tauchte erstmals im März in der Kanzlerrede zur Agenda 2010 auf, falls die Zahl betrieblicher Bündnisse nicht steige. Die Union wiederum hat einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, der die Tarifverhandlungen in die einzelnen Betriebe verlagern will. Die Abschaffung der Tarifautonomie gilt daher als eines der denkbaren Kompensationsgeschäfte, damit die Union im Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag den Steuer- und Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung zustimmt.

Solcherart Absprachen wollten Hundt und Sommer zuvorkommen. Nach ihrem Scheitern verlagert sich der Kampf nun vollends in den Vermittlungsausschuss. CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz kündigte gestern an, dass die Union das Thema Tarifautonomie wieder „ganz oben auf die Tagesordnung“ setzt. Damit hat sich die Unionslinie verhärtet. Noch am Wochenende hatte CDU-Chefin Angela Merkel angedeutet, dass man auf den eigenen Gesetzentwurf verzichten könne – wenn die Gewerkschaften und Arbeitgeber zu Absprachen kommen.

Die harte CDU-Linie wird neuerdings auch von Hundt gestützt. Gestern verlangte er, dass der Gesetzgeber handele und „die Ankündigung des Bundeskanzlers und der Opposition jetzt umgesetzt wird“. So eilig hat es der Kanzler nicht. Auf Auslandsreise in China forderte er gestern von den Tarifpartnern, parallel zum Vermittlungsausschuss zu einer Einigung zu kommen. „Das wäre die beste Lösung.“ Nicht zuletzt für Schröder selbst. Seine Drohung mit gesetzlichen Öffnungsklauseln hat schon für viel Unmut in der SPD gesorgt. Genau dies ist auch der letzte Trumpf für DGB-Chef Sommer: Sollte es im Vermittlungsausschuss „einen faulen Kompromiss zu Lasten der Tarifautonomie“ geben, so warnte er gestern, könnte die Kanzlermehrheit gefährdet sein.

ULRIKE HERRMANN