„Ein unjuristisches Gespräch“

SCHMÄHKRITIK Linguisten und Historiker sollen klären, ob ein Anwalt einem Bremer Richter zu Recht geistige Nähe zur NS-Justiz vorgeworfen hat

„Sprechen Sie mir nach: Mein schwarzafrikanischer Mandant darf eine weiße deutsche Frau ficken.“

Fast 3.000 Gerichtsbeschlüsse im Jahr hat er früher gefällt. Nun musste der pensionierte Ermittlungsrichter Dieter Nordhausen selber vor Gericht aussagen. Das Landgericht verhandelte gegen den Anwalt Jan Sürig, dem Nordhausen vorwirft ihn „in den Bereich Nazi gedrückt“ zu haben.

„Sie vertreten Ansichten, die in diesem Staat zuletzt 1934 mit den Nürnberger Rassegesetzen vertreten worden sind“ – diese Äußerung Sürigs hatte das Amtsgericht als Schmähkritik gewertet und ihn zur Zahlung von 3.000 Euro verurteilt. Sürig hatte das vor der Anhörung über die Abschiebung eines Afrikaners gesagt. Der war unrechtmäßigerweise verhaftet worden, während er in Abwesenheit seiner deutschen Freundin auf das gemeinsame Kind aufpasste.

„Herr Sürig hat von dem Kind gesprochen und sich zunehmend erregt, wofür ich überhaupt keine Erklärung hatte,“ sagte Nordhausen am Freitag. „Ich habe ihm nur gesagt, dass sein Mandant eine Aufenthaltsgenehmigung braucht.“ Daraufhin habe Sürig den „völlig abwegigen“ Vorwurf erhoben, Nordhausen fordere, dass Afrikaner, die mit Deutschen Kinder zeugen, dafür ein staatliche Erlaubnis einholen müssten.

„Dann sprechen Sie mir nach: Mein Mandant ist als Schwarzafrikaner berechtigt, eine weiße deutsche Frau zu ficken und Ihr ein Kind zu machen,“ hatte Sürig schließlich von Nordhausen verlangt und war sich sicher: „Das bringen Sie nie über die Lippen, weil es ihrer Überzeugung widerspricht.“ Dann kam der Satz mit den Rassegesetzen.

„Das hat meine Schmerzgrenze überschritten,“ sagte Nordhausen, der fand, er habe Sürig „keinen Anlass“ zu einer solchen Provokation gegeben. Eben dies bestritt Sürig. Nordhausen habe nämlich vorher gesagt, der Afrikaner habe seinen „prekären Aufenthaltsstatus“ ja gekannt, „als er das Kind zeugte“. Deshalb hätte er sich vorher eine Aufenthaltsgenehmigung besorgen müssen und müsse jetzt eben damit leben, trotz des Kindes abgeschoben zu werden. Im Laufe der Verhandlung räumte Nordhausen ein, dass er „möglicherweise so etwas“ gesagt habe – und gestand zu, dass dies „von beiden Seiten ein ziemlich unjuristisches Gespräch“ gewesen sei. Diese Auffassung – die er auch im Zusammenhang mit anderen Verfahren geäußert habe – sei zwar „rechtlich nicht tragfähig“, weshalb der Afrikaner auch freikam, aber entspreche nicht den NS-Rassegesetzen. Sürigs Anwalt hielt dagegen, Nordhausen habe „genau den Kern“ der NS-Politik wiedergegeben, die Mischehen verbot. Er beantragte die Erstellung zweier wissenschaftlicher Gutachten. Ein Linguist soll klären, ob sich Sürigs Äußerung auch als sachliche Aufforderung „seine Meinung angesichts von Überlappungen mit den NS-Rassegesetzen noch einmal zu überdenken“, interpretieren lässt. Eine Historikerin soll feststellen, ob es diese „Überlappungen“ tatsächlich gibt. cja