Nichts für Kontrollettis

TASCHENGELD Für Kinder ist es ein Stück Welt. Für Eltern eine gute Gelegenheit, ihre Kinder ein bisschen mehr in die Selbständigkeit zu entlassen

Odon (9 Jahre) bekommt zwei Euro, wenn er „rausgeht“. Maja (5 Jahre) freut sich schon auf 50 Cent in der Woche, wenn sie erst einmal die Schule besucht. Und Lennar (8 Jahre) darf nur die Hälfte seines Taschengeldes für Süßigkeiten ausgeben.

Was Kinder als gegeben hinnehmen, wirft für Eltern Fragen auf: Wie viel? Ab wann? Und warum überhaupt, wenn das Kind nur „Mist“ kauft? Glauben Eltern dem Erziehungswissenschaftler Dietmar Gensicke von der Leibnitz-Universität Hannover, ist es gar nicht so wichtig, wofür Kinder ihr Taschengeld ausgeben. Entscheidender sei die Unabhängigkeit, zu der das eigene Budget verhilft: „Sie haben einen eigenständigen Bereich, den sie beackern können.“ Dabei lernen Kinder, mit Geld umzugehen, auch und gerade dann, wenn alles so viel schneller weg ist als gedacht.

Sobald Kinder ein Gefühl für Zeiträume und Zahlen entwickelt haben, können Eltern mit dem ersten regelmäßigen Taschengeld beginnen. Das ist meist im Alter von vier bis sechs Jahren. Nach dem Schuleintritt wird es höchste Zeit. Denn dort lauert der Schulkiosk, dann ist es gut, wenn das Kind schon weiß, wie man Geld ausgibt und nicht mit großen Augen zusehen muss, wie seine Freunde Münzen gegen süße Ware tauschen.

Eltern fällt es mitunter schwer, mit anzusehen, wie ihre Kinder das Geld in Süßkram investieren. Doch auch der Erziehungswissenschaftler Norbert Ricken von der Universität Bremen empfiehlt, die Kaufentscheidungen der Kinder zu respektieren. „Wer seine Kinder in allen Dingen – von Kleidung über Vergnügungen bis hin zu Süßigkeiten – kontrollieren will, kann auf Taschengeld verzichten“, bringt er das Dilemma auf den Punkt.

Von einem Entzug des Taschengelds als erzieherische Maßnahme halten Pädagogen wenig. Es sollte ein allerletztes Mittel sein, wenn Kinder Verbotenes, etwa Waffen oder Zigaretten, kaufen.

Damit Kinder über ihr Budget gut verfügen können, muss es ihrem Alter entsprechen. Für einen Neunjährigen sind zwei Eumitansehenro eine handhabbare Größe. Jugendämter empfehlen als Faustregel ein Euro pro Woche und Schuljahr. Ein Drittklässler käme demnach auf drei Euro in der Woche. Nicht alle Eltern können sich so viel Taschengeld leisten. Ein schlechtes Gewissen müssen sie deshalb nicht haben, meint der Erziehungswissenschaftler Gensicke: „Unter der Voraussetzung, dass man es dem Kind erklärt, habe ich noch nie erlebt, dass ein Kind nicht damit klarkommt, wenn es etwas weniger hat als andere.“

Spätestens wenn aus Kindern Jugendliche werden, gibt es in vielen Familien Streit ums Taschengeld. Dann heißt es für Eltern, flexibel zu bleiben. Jede Forderung zu erfüllen wäre genauso falsch wie ein stures „Basta, mehr gibt es nicht!“. Der Psychologe Hermann Liebenow schlägt vor, einmal im Jahr über eine Erhöhung des Taschengeldes zu verhandeln. Dabei erzählen die Jugendlichen, wofür sie ihr Geld ausgeben, und müssen plausibel machen, warum sie in Zukunft mehr davon brauchen. Eine frühe Übung für künftige Gehaltsverhandlungen.

CHRISTINE PLASS