Naturschutz für Autos

Niedervieland soll Naturschutzgebiet werden – damit dort die A 281 gebaut werden kann. Landwirte sauer

„Wir machen keinen Hehl daraus, dass die A 281 ’nen Sachzwang geschaffen hat“

Bremen taz ■ Das Projekt ist ehrenhaft, das Ansinnen unlauter. 840 Hektar Grün- und Weideland in Niedervieland sollen nach dem Willen von Umwelt- und Verkehrssenator Jens Eckhoff (CDU) jetzt unter Naturschutz gestellt werden – elf Jahre, nachdem das damals grün geführte Umweltressort die Flächen als europäisches Vogelschutzgebiet angemeldet hat. Anlass der Aktion: Eckhoffs Verkehrsplaner wollen just dort ein Teilstück des geplanten Autobahnrings um Bremen sowie die neue B 212 planieren. Dafür benötigen sie eine Ausnahmegenehmigung aus Brüssel – die allenfalls dann zu bekommen ist, wenn der europäische Schutz zuvor auf nationaler Ebene nachvollzogen wurde. Soll heißen: Erst wenn die Wiesen deutsches Naturschutzgebiet sind, kann der deutsche wie der EU-Naturschutz dort aufgehoben werden. „Wir machen keinen Hehl daraus, dass die A 281 da einen Sachzwang geschaffen hat“, räumt Eckhoffs Sprecher Holger Bruns ein. „Eigentlich pervers“, gibt SPD-Umweltpolitiker Joachim Schuster zu.

Schuster wird heute in der Umweltdeputation trotzdem für das „Natura 2000“-Gebiet stimmen. Erstens habe die SPD den Naturschutz dort schon immer gefordert – im Gegenteil zu manchen CDU- und FDP-Senatoren, welche die Vogelrastplätze gerne für Gewerbegebiete reservieren wollten. Und zweitens seien auch die Sozen schließlich für den Autobahnbau.

Protest schlägt den Asphaltpisten-Naturschützern dafür von Seiten der Niedervielander Bauern entgegen. An die 3.000 Rinder, schätzt Tierarzt und Nebenerwerbslandwirt Hilmer Hagens, futterten das Gras der feuchten Wiesen, mehr als 60 Betriebe wirtschafteten hier – zum Vorteil der Natur. Das geplante Naturschutzgebiet drohe diese Symbiose jetzt zu zerstören. Eine spätere Mahd der Wiesen, wie sie Eckhoff vorschreiben wolle, verschlechtere die Qualität des Futters, die Bauern würden ihre Gülle nicht mehr los, und auf Wiesen im Naturschutzgebiet gäben Banken keine Kredite mehr. Man sei überhaupt nicht dagegen, den Vogelschutz vertraglich abzusichern, beteuert Hagens. Eckhoff aber plane eine „eiskalte Enteignung“: „Das ist existenzbedrohend.“

Das Umweltressort bestreitet die Vorwürfe. Die vorgesehenen Regeln stellten keine nennenswerte Einschränkung dar, eventuelle Nachteile etwa beim Futter würden mit Entschädigungszahlungen ausgeglichen. Und das Gros der Naturschutz-Maßnahmen solle sowieso nur auf freiwilliger Basis und gegen Bezahlung realisiert werden. Die Behauptung der Bauern, die naturschutzrechtlichen Voraussetzungen zum Bau der Autobahn ließen sich auch anders schaffen, weist Ressort-Sprecher Bruns zurück.

Eckhoff selbst ging bereits einen Schritt weiter. Hinter der Kritik einiger Bauern, mutmaßte er, stehe vielmehr das Ansinnen, die Autobahn zu verhindern. Womit die Bauern, so es den stimmen sollte, zumindest in diesem Punkt einer Meinung mit den Naturschützern wären. sim