Jenseits der Milliarden

„HipHop – A Tale from the Hood“ folgt zwei Amateur-Rappern durch Bronx und Brooklyn (Arte, 0.25 Uhr)

Fast andächtig spaziert der Rapper durch die Straßen der Bronx und erzählt, wie der HipHop in diesen Straßen geboren wurde. „Hier hat das angefangen mit dem Milliardengeschäft“, sagt er, und in diesem Moment ist das ganze Spektrum eröffnet, das Harald Rumpf mit „HipHop – A Tale from the Hood“ durchmessen will: vom HipHop, wie er in den Sozialblocks amerikanischer Metropolen immer noch als Untergrundkultur gelebt wird, bis zu den Verwerfungen, die die Ankunft des Genres im dollarschweren Musikgeschäft unweigerlich mit sich gebracht haben.

Dazu hat sich der Regisseur, der mit der Langzeitdokumentation „Münchner Freiheit“ über Obdachlose bekannt wurde, an die Fersen zweier lang gedienter, aber noch wenig erfolgreicher Rapper geheftet. G.I.Off und sein Kumpel Hazadus sind Prototypen für ein bislang vernachlässigtes Phänomen: Auf jeden neuen HipHop-Superstar kommen hunderte von Rappern, die es nicht ins Branchenblatt Source, zu einem Plattenvertrag oder gar in die Charts schaffen. Der Film folgt seinen beiden Protagonisten zu ihren Broterwerben als Aushilfsfriseur und Betreuer von Behinderten, ist bei Polizeikontrollen und spontanen Freestyle-Battles im Wohnzimmer-Studio dabei, beim bekifften Fernsehnachmittag und dem missglückten Auftritt.

Sichtbar wird der ernüchternde Alltag hinter dem Glamour des Gangsta-Rap. Wie eine Auszeichnung tragen G.I.Off und Hazadus das Label „Underground“ vor sich her, aber je mehr Rumpf sie einfach reden lässt, desto klarer wird, dass die Überzeugung nur so lange etwas wert ist, bis sie in andere Werte umgesetzt werden kann. In einem Monolog berichtet G.I.Off von nun schon 19 Jahren im Geschäft, in denen er „viel Lehrgeld gezahlt“ hat, bevor er nur halb ironisch endet: „Bezahlt mich! Ich muss essen.“

Ganz nebenbei ist Rumpf auch ein Porträt New Yorks gelungen, das nicht der üblichen Blickrichtung folgt. Zwar quälen sich auch bei ihm gelbe Taxis durch Wolkenkratzerschluchten in Manhattan, aber zumeist treibt seine Kamera durch alle anderen Bezirke: Sie zeigt endlose Mietshausreihen in Brooklyn, in der Bronx werden heruntergelassene Rollläden zum Dauerhintergrund, und in Far Rockaway, wo G.I.Off aufgewachsen ist, wirkt die Atmosphäre mit Beach und Boardwalk fast mediterran.

Aber eins verbindet alle diese Orte: Fast jeder hier scheint zu rappen – vom Grundschulkind bis zur schwergewichtigen Hausfrau. HipHop ist eben doch mehr als nur Musik. „HipHop ist eine Lebenseinstellung, eine Kultur“ – noch so ein Gemeinplatz, den Rumpfs Helden zum Besten geben und für den der Regisseur die richtigen, weil unaufgeregten und nüchternen Bilder findet. THOMAS WINKLER