Harte Urteile gegen Ruandas Hetzer

Das UN-Ruanda-Tribunal in Arusha verurteilt drei hochrangige ruandische Medienführer, die die Aufhetzung der Hutu gegen die Tutsi vor und während des Völkermordes von 1994 zu verantworten hatten. „Eine Maschine des Krieges und des Genozids“

von DOMINIC JOHNSON

Worte können töten. Das UN-Tribunal für Ruanda hat am Mittwoch mit harten Urteilen gegen drei ehemalige ruandische Medienveranwortliche klargestellt, dass ihre Rolle bei der Vorbereitung des Völkermordes von 1994 nicht weniger schwerwiegend war als die Rolle von politischen Verantwortlichen. „Lebenslänglich“ bekommen Ferdinand Nahimana, Gründer des Hetzradios „Mille Collines“ (RTLM – Radio Télévision Libre des Mille Collines), sowie Hassan Ngeze, Chefredakteur der Monatszeitung Kangura. 35 Jahre Haft erhält Jean-Bosco Barayagwiza, RTLM-Mitgründer und Führer der Extremistenpartei CDR (Komitee zur Verteidigung der Republik).

Die drei waren Schlüsselfiguren in der Vorbereitung des Genozids an Ruandas Tutsi ab April 1994, der schätzungsweise 800.000 Menschen das Leben kostete. Der Radiosender „Mille Collines“ und die Zeitung Kangura waren Zentralorgane jener Hutu-Politiker, die den im August 1993 geschlossenen Friedensvertrag zwischen Hutu-Regierung und Tutsi-Rebellen ablehnten und sich überlegten, stattdessen die Tutsi auszurotten. Die CDR war das Sammelbecken dieser Strömung.

Als private Medien waren Kangura und „Mille Collines“ dynamischer und ungezwungener als ihre staatseigene Konkurrenz. Die Tutsi wollten Ruandas Hutu versklaven, analysierte Kangura. „Mille Collines“ setzte unverblümt Tutsi mit Kakerlaken gleich und erreichte mit seinem Mix aus flotten Jingles und reißerischer Hetze zahlreiche unpolitische Jugendliche. Als im April 1994 die organisierten Massaker begangen, dirigierte „Mille Collines“ die Hutu-Milizen an Orte, wo Tutsi oder Hutu-Gegner des Völkermordes ausharrten. Der Radiospruch „Die Gräber sind noch nicht voll“ erreichte traurige Berühmtheit.

Alle drei Angeklagten flohen nach dem Zusammenbruch des Völkermordregimes nach Kamerun, wo sie 1996 festgenommen und an das UN-Tribunal in Arusha überstellt wurden. Formfehler dabei waren jetzt der Grund dafür, dass Barayagwiza keine lebenslange Haft erhalten hat.

Der so genannte „Medienprozess“ gegen die drei begann 2000, kurz nachdem der Italo-Belgier Georges Ruggiu, Journalist bei „Mille Collines“, wegen „Aufwiegelung zum Völkermord“ vom Tribunal zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war. Baraygwiza boykottierte das Verfahren. Nahimana, promovierter Historiker, gab vor Gericht den ahnungslosen Gelehrten, während Ngeze in der Haft zum Islam übertrat und aus seiner Zelle eine Webseite betrieb.

Bedrückendstes Element des Prozesses war der ideologische Eifer der Verteidigung. Statt sich den Details der Anklage zu widmen, legten die sechs Verteidiger aus den USA, Kanada, Frankreich, Italien und der Elfenbeinküste ihren Befragungen und Plädoyers immer wieder platten Revisionismus zugrunde und warfen Experten der Anklage „Tutsi-Sympathien“ vor. Schon zu Anfang des Prozesses kam es außerdem zu einem Skandal: Die Angeklagten bekamen vom UN-Tribunal Geld zum Bezahlen ihrer Anwälte – und versorgten damit Freunde, darunter auch Völkermordverdächtige, die offiziell den Status von „Ermittlern der Verteidigung“ bekamen. Dies führte zu einer schweren Krise zwischen dem UN-Tribunal und der Regierung Ruandas – einer der Gründe für die Abberufung der Chefanklägerin Carla Del Ponte im August durch den UN-Sicherheitsrat.

Del Ponte saß am Mittwoch auf der Zuhörerbank, als die südafrikanische UN-Richterin Navanethem Pillay die Urteile verlas. „Sie haben den Geist Ihrer Leser vergiftet“, sagte Pillay, an Kangura-Chefredakteur Ngeze gewandt. Die Radioleiter Baryagwiza und Nahimana „waren für die redaktionelle Linie von RTLM verantwortlich und taten nichts, um das Radio daran zu hindern, eine Maschine des Krieges und des Genozids zu werden“. Der neue UN-Chefankläger für Ruanda, Hassan Jallow aus Gambia, zeigte sich zufrieden. „Das Tribunal hat einen internationalen Präzedenzfall geschaffen: Wer die Medien gegen eine ethnische Gruppe einsetzt, um diese zu zerstören, muss sich vor Gericht verantworten.“

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