BEI EHRENMORDEN IN DEUTSCHLAND SCHAUT DIE JUSTIZ NICHT WEG
: Es gibt kein Multikulti-Recht

Jährlich werden weltweit fünftausend Frauen und Mädchen im Namen der Ehre getötet. Darauf weist die Organisation Terre des Femmes zu ihrem heutigen Aktionstag hin. Auch in Deutschland werden jedes Jahr ähnliche Fälle bekannt. Doch die deutsche Rechtsprechung reagiert darauf eindeutig: „Ehrenmorde“ sind in Deutschland in keiner Weise gerechtfertigt, sondern werden als Totschlag oder Mord hart bestraft. Ein Wegschauen der Justiz, wie in manchen archaisch geprägten Ländern üblich, gibt es in Deutschland sicher nicht.

Umstritten ist allein die Einstufung als Mord oder Totschlag. Dabei kommt es darauf an, ob die Tötung aus „niedrigen Beweggründen“ ausgeführt wurde. Maßgeblich ist für deutsche Strafgerichte die Werteordnung des Grundgesetzes, welche die Menschenwürde, individuelle Selbstbestimmung und die Gleichberechtigung der Geschlechter garantiert. Nicht maßgeblich ist, ob nach „anatolischen Wertvorstellungen“ die Mannes- und Familienehre durch das Verhalten einer Frau verletzt ist, erklärte der Bundesgerichtshof erst im Januar.

Allerdings genügt es für die Annahme niedriger Beweggründe nicht, dass sie objektiv vorliegen; es muss auch dem Täter klar gewesen sein, dass seine Tat nach hiesigen Anschauungen als „verachtenswert“ angesehen wird. Hier entscheiden Gerichte gelegentlich, dass ein Täter noch zu sehr den Normen seiner Heimat verhaftet war, um dies erkennen zu können.

Das aber ist keine spezielle Multikulti-Rechtsprechung, sondern Ausfluss des aus der Menschenwürde abgeleiteten Schuldprinzips: „Die Strafe ist durch das Maß der individuellen Schuld begrenzt.“ Wer dies abschaffen will, lässt sich möglicherweise selbst zu sehr von archaischen Vergeltungsbedürfnissen leiten.

Bestraft wird aber selbst ein völlig verstockter ausländischer Täter allemal wegen Totschlags. Und je länger ein Gewalttäter in Deutschland gelebt hat, umso weniger Chancen hat sein Argument, ihm seien die hiesigen Werte unbegreiflich geblieben. Wer die Musik lauter stellt, wenn er seine Frau schlägt, der zeigt, dass er sehr wohl begriffen hat, dass er von seinen Nachbarn keinerlei Verständnis für seine Taten erwarten kann.

Genauso wichtig wie die staatliche Reaktion auf Gewalt gegen Frauen ist es jedoch, gegen ein Klima anzugehen, in dem solche Taten gedeihen. Deshalb ist es auch zu begrüßen, wenn im Strafgesetzbuch bald ausdrücklich klargestellt wird, dass die Zwangsverheiratung junger Frauen (und Männer) in Deutschland nicht akzeptiert wird.

CHRISTIAN RATH