Märtyrer des Regenwaldes

Der indonesische Umweltschützer Abi Nachran ist von Killern der Holzindustrie beinahe totgeschlagen worden. Jetzt mobilisiert er die Öffentlichkeit in den Industrieländern

von GERNOT KNÖDLER

Die Verantwortlichen in der indonesischen Holzindustrie dürften es bereuen, dass sie dem Umweltschützer Abi Kusno Nachran Killer auf den Hals gehetzt haben. Jetzt trommelt er in Deutschland gegen die Zerstörung des Regenwaldes. In Hamburg hat er den „Dr. Götze Geo-Preis 2002/2003“ des gleichnamigen Geschäfts für Landkarten und Reisebücher erhalten. Vor einer Woche versuchte er, den Umweltausschuss des Bundestages davon zu überzeugen, dass Deutschland keine Hermes-Bürgschaften für chinesische Papierfabriken vergeben dürfe. Diese wollten zu 70 Prozent Tropenholz verarbeiten – Holz, das zum größten Teil aus Raubbau in Indonesien komme.

Der gelernte Lehrer, der vom Verein „Rettet den Regenwald“ unterstützt wird, wandte sich 1997 dem Journalismus zu. Anfangs berichtete er über Kriminalität und soziale Unruhen, wobei ihm klar wurde, dass deren Zusammenhang mit der Umweltzerstörung wenig beachtet wurde. Seine Berichte in einer kritischen Tageszeitung trugen ihm von Anfang an Morddrohungen ein. Nachdem er dem indonesischen Forstminister Beweise über illegale Holzeinschläge überreicht hatte, machte die „Holzmafia“, wie er sie nennt, ernst: Am 28. November 2001 fielen an die 20 Männer mit Macheten über ihn her. Sie zerhackten seinen Rücken, zertrennten beide Knochen seines rechten Armes und schlugen ihm die Finger der linken Hand ab bis auf den Daumen. Um ein Glas Apfelsaft zu trinken, muss er es mit beiden Händen einklemmen, die rechte ist zur Klaue verkrümmt.

Indonesien gilt als größter Waldvernichter. Circa drei von weltweit 16 Millionen Hektar im Jahr werden hier gerodet. Geht die Abholzung im gegenwärtigen Tempo weiter, wird Borneo in spätestens zehn Jahren urwaldfrei sein, schätzt Nachran.

Das Roden vernichtet die traditionelle Lebensweise von Nachrans Volk der Dayak. Sie lebten mit ein wenig Ackerbau, vor allem aber mit dem Sammeln von Pflanzen und Früchten sowie der Jagd vom Regenwald, jedoch ohne diesen zu zerstören.

Mit dem zum größten Teil illegalen Abholzen ist leicht und schnell Geld zu verdienen, vor allem für die Exporteure. Es blüht die Korruption, und zwar in einem Ausmaß, das Nachran zu radikalen Forderungen geführt hat: Weil es sich nicht kontrollieren lasse, ob die Kriterien für nachhaltig bewirtschaftete Wälder eingehalten werden, will er den Export von indonesischem Tropenholz ganz stoppen.

Zertifizierungen wie die des Forest Stewardship Council (FSC) seien unter indonesischen Bedingungen unsinnig. Andere Siegel, etwa das des malaysischen Timer Certification Council (MTCC), das der Hamburger Senat anerkannt hat, seien völlig inakzeptabel. In Malaysia gebe es praktisch keinen Regenwald mehr. Für den Export werde indonesisches Holz ins Land geschmuggelt.

Nachran scheint seine Verstümmelung mit großer Gelassenheit zu akzeptieren. Zwar blickt er immer etwas streng, doch in Hamburg scherzt er ganz entspannt mit den jungen Indonesiern, die gekommen sind, seinen Vortrag anlässlich seines Deutschlandbesuchs zu hören.

Dass er trotz jahrzehntelanger Drohungen und des Attentats den Kampf gegen die Holzmafia nicht aufgegeben hat, hängt damit zusammen, dass er einer führenden Familie der Insel Borneo entstammt. Sein Großvater war Stammesführer, sein Onkel Bürgermeister. Er wurde dazu erzogen, Verantwortung zu tragen für die Menschen in seiner Heimat. „Wenn man lebt, muss man kämpfen“, sagt Nachran.

Spenden für die medizinische Behandlung Abi Nachrans und seine politische Arbeit an: Rettet den Regenwald, Sparda-Bank Hamburg, Konto 600 463, BLZ 206 905 00