Steinbrück gegen Rüttgers mit Leisetreterei

Wie im Bundestag, so im Landtag: Regierung und Opposition zanken um den Haushalt. CDU-Chef Jürgen Rüttgers wirft Rot-Grün „finanzpolitische Katastrophe“ vor. Ministerpräsident Peer Steinbrück verteidigt still die Neuverschuldung

DÜSSELDORF taz ■ Rot-Grün und Schwarz-Gelb haben die gestrige Haushaltsdebatte genutzt, um ihre Standardreden für den Landtagswahlkampf zu testen. Ein halbes Jahr vor dem Urnengang warfen sich Regierung und Opposition im Düsseldorfer Landtag gegenseitig Versagen, Inkompetenz und Unredlichkeit vor. CDU-Fraktionschef Jürgen Rüttgers kritisierte den zweiten Nachtragshaushalt zum Doppeletat 2004/2005 als „unmoralische Schuldenpolitik“. Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) verteidigte die höhere Neuverschuldung und attestierte Rüttgers eine „undifferenzierte, grobschlächtige“ Bewertung des „wirtschaftlich starken“ Landes.

Zu Beginn der Debatte hatte Nordrhein-Westfalens Finanzminister Jochen Dieckmann (SPD) die Nachtragshaushalte für das laufende und das nächste Jahr in den Landtag eingebracht. Damit steigt die Neuverschuldung in diesem Jahr auf 6,9 Milliarden Euro, 2005 auf 5,2 Milliarden Euro. Dieckmann sagte, dass die Steuerausfälle nicht allein durch Einsparungen aufzufangen seien. „NRW ist keine Insel“, verwies Dieckmann auf die allgemeine Wachstumsschwäche. Den konjunkturbedingten Steuerausfälle wolle die Regierung nicht mit weiteren Sparprogrammen begegnen. Im vergangenen Jahr hatte das rot-grüne Kabinett ein Kürzungspaket beschlossen. „Reines Sparen wäre die falsche Politik“, so Dieckmann.

„Sie sitzen in der Schuldenfalle“, kritisierte der konservative Oppositionsführer und Ministerpräsidenten-Kandidat Rüttgers weitere, zusätzliche Schulden in Höhe von 800 Millionen Euro. Der Nachtragshaushalt beweise, dass die bisherigen Zahlen der Regierung falsch gewesen seien. Dies sei eine „finanzpolitische Katastrophe“ und eine „schwere Hypothek für unsere Kinder“, so Rüttgers. Die rot-grüne Landesregierung sei am Ende – finanziell und politisch. An das versammelte Landeskabinett richtete Rüttgers die Frage: „Wie können Sie mit dieser Schuld überhaupt weiter regieren?“ Rüttgers bezeichnet den Ministerpräsidenten Steinbrück als „größten Schuldenmacher“ der Landesgeschichte. „Lüge“, „Erblast“, „Bilanzfälscherei“, „Tricksen und täuschen“ – Rüttgers ließ in seiner aggressiv bis lautstark vorgetragenen Rede kaum einen Vorwurf aus.

Eher leise und kontemplativ reagierte der Regierungschef auf die Rüttgers-Attacke. Nach dieser Haushaltsdebatte sei er mehr denn je zuversichtlich, dass er bei der Landtagswahl im Mai wieder gewählt werde, sagte Steinbrück. Der Ministerpräsident zeigte mit dem Finger Richtung Regierungsbank und sagte: „Es gibt eine gute Chance, dass ich da weiter sitzen werde.“ Die Menschen im Land hätten ein Gespür dafür, wenn Politiker die Lage aus parteitaktischen Gründen verzerrt darstellten. Rüttgers biete keinerlei Alternativen an. Wenn es konkret werde, etwa beim Subventionsabbau, hätte der CDU-Politiker gekniffen, kritisierte Steinbrück.

FDP-Fraktionschef Ingo Wolf bezeichnete die Debattenbeiträge der SPD-Redner sarkastisch als „Sternstunde der Demokratie“. Der rot-grünen Regierung warf der Liberale Versagen vor: „Sie regieren schlecht. Die Schuldenpolitik dieser Landesregierung ist an Hemmungslosigkeit nicht mehr zu überbieten.“ Die grüne Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann räumte ein, der Haushalt sei „knapp auf Kante genäht“. Eine noch schärfere Sparpolitik sei gleichwohl nicht verantwortbar. „Wollen Sie Polizisten und Lehrkräfte rauswerfen?“, fragte Löhrmann nach den Lösungsvorschlägen der Opposition. FDP-Mann Wolf empfahl sie die Rückkehr in seinen früheren beruflichen Tätigkeitsbereich, ins Landratsamt: „Aber eher als Hausmeister.“ MARTIN TEIGELER