Frauen wollen keine Anhängsel sein

Hartz IV trifft Frauen besonders hart. Bei einer Podiumsdiskussion zum 20. Geburtstag von „Frauen gegen Erwerbslosigkeit“ halten Kölnerinnen Sozialdezernentin Bredehorst und AA-Chef Welters vor, ihre Arbeitslosenpolitik sei „lebensfremd“

Von SUSANNE GANNOTT

Hartz IV ist keine Reform, sondern bedeutet massive soziale Verschlechterungen, die noch dazu einen ideologischen Rückfall in das Familienbild der 50er Jahre mit sich bringen. Zu dieser Einschätzung neigte offenbar die Mehrheit der Anwesenden am Mittwoch Nachmittag im großen Saal der Alten Feuerwache.

Bei der Podiumsdiskussion über Hartz, mit der das Arbeitslosenzentrum „Frauen gegen Erwerbslosigkeit“ seinen 20. Geburtstag einläutete, hatten es die beiden Hartz-Befürworter, Kölns Sozialdezernentin Marlis Bredehorst und der Chef der örtlichen Arbeitsagentur, Peter Welters, sichtlich schwer, das Publikum – rund 100 Frauen und ein gutes Dutzend Männer – von den Segnungen des neuen Gesetzes zu überzeugen.

Beide beklagten, in der Debatte werde die „Förderseite“ mit dem umfassenden Hilfesystem vernachlässigt. Dabei gehe es bei Hartz IV vor allem darum, an den „Defiziten und Hindernissen“ (Welters) der Langzeitarbeitlosen zu arbeiten, damit diese überhaupt wieder „Fuß fassen können auf dem ersten Arbeitsmarkt“ (Bredehorst). Viele von ihnen könnten überhaupt nicht sofort arbeiten, weil sie überschuldet seien, psychisch angeknackst oder schlicht verlernt hätten, einen geregelten Tagesablauf einzuhalten. Dass man mit Förderprogrammen viele Langzeitarbeitslose in Arbeit vermitteln könne, auch in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit, habe das Kölner Modell in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen.

Dieser Sichtweise mochten sich die anderen Diskutantinnen nicht anschließen. So bezweifelte die Moderatorin Ruth Kühn, dass die meisten Arbeitslosen Probleme hätten, „die haben nur keine Arbeit“. Und Gisela Notz, die seit Jahrzehnten über das Thema Frauen und Arbeit forscht, sowie Erika Biehn, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen, beharrten darauf, bei Hartz gehe es weniger ums Fördern als ums Fordern. Besonders Frauen würden diesen „Arbeitszwang“ zu spüren bekommen, erklärte Notz. Als „Anhängsel der Bedarfsgemeinschaft“ würden sie ihr eigenes Einkommen (aus der Arbeitslosenhilfe) verlieren, und in schlecht bezahlte Minijobs gedrängt, die schon jetzt mehrheitlich von alleinerziehenden Frauen gemacht würden.

„Der Druck auf Arbeitslose steigt bundesweit“, hat auch Biehn beobachtet. Sie wisse zudem aus eigener Erfahrung, dass man von der Sozialhilfe eigentlich nicht leben kann. Mit dem Wegfall der einmaligen Leistungen – etwa für Schulbedarf, Kleidung oder Weihnachten – werde dies zukünftig noch schwieriger.

Widerspruch bekam Bredehorst auch aus dem Publikum. Eine Frau erklärte, ihr kämen „solche Diskussionen immer lebensfremd vor“. Die Realität sei oft viel härter. So kämen in die Beratungsstelle in Chorweiler, wo sie arbeite, immer mehr Menschen, „die ganz aus der Hilfe rausfallen“, weil das Sozialamt Zweifel an ihrer Hilfsbedürftigkeit angemeldet habe. Eine andere Frau meldete sich zu Wort, nachdem Bredehorst versprochen hatte, dass Arbeitslosengeld-II-Empfänger auch künftig nur in Ausnahmefällen zum Umzug in billigere Wohnungen aufgefordert werden. Aus ihrer Arbeit im Arbeitslosenzentrum „Vingster Treff“ wisse sie von vielen Fällen, in denen die Stadt schon jetzt nur pauschal bis zur „Mietobergrenze“ bezahle. Was darüber hinaus geht, müssten die Menschen mit ihrer Sozialhilfe allein bestreiten. „Das ist gängige Praxis.“