Aus für Terrorgeneral

UN-Tribunal verurteilt den serbischen General Galić, Leiter der blutigen Belagerung von Sarajevo 1992–95

SARAJEVO taz ■ Oft mussten die 400.000 Bewohner Sarajevos während der serbischen Belagerung 1992–95 in Deckung gehen, wenn die Schüsse der Scharfschützen gellten. Oder wenn die Artilleriegranaten auf die Straße und in die Häuser einschlugen. Trotzdem mussten die Menschen ihre Schutzkeller und Wohnungen verlassen, mussten Wasser holen oder für Brot Schlange stehen. Und dass die Scharfschützen gezielt in die Warteschlangen schossen, dafür ist nach dem gestrigen Urteil des UN-Kriegsverbrechertribunals für Exjugoslawien in Den Haag vor allem ein Mann verantwortlich: General Stanislav Galić, der Kommandierende des „Romanija Korps“, das an der Belagerung der Stadt führend beteiligt war. Gestern wurde der 60-jährige Exkommandeur zu 20 Jahren Haft verurteilt.

Insgesamt starben nach Auffassung des Gerichts 11.500 Menschen, darunter 1.500 Kinder, durch den Terror der Belagerung Sarajevos. Nach bosnischen Quellen zählte die bosnische Hauptstadt 15.000 Kriegstote, wobei jene nicht eingerechnet sind, die aufgrund des Hungers und der Kälte – es gab ja keine Heizung mehr – ihr Leben ließen. Viele tausend Alte und chronisch Kranke überlebten diese Zeit nicht, aber sie tauchen in keiner Statistik auf.

Wie sind 20 Jahre Haft da zu bewerten? Einig ist sich Sarajevos öffentliche Meinung darin, dass solche Urteile immerhin die historischen Tatsachen feststellen. Das wirke der Legendenbildung entgegen, sagt der Chefredakteur der Wochenzeitschrift Slobodna Bosna, Senad Avdić.

Hauptziel der Belagerung sei die Verbreitung von Terror gewesen, erklärte Richter Alphons Orie in seiner Urteilsbegründung. Das deckt sich mit den Erfahrungen der Bewohner Sarajevos. Selbst als die Toten begraben wurden, sandten die Belagerer ihre Granaten gezielt in die Menge der Trauernden.

Ob General Stanislav Galić jemals in die Freiheit zurückkehren kann, ist angesichts seines Alters fraglich; er ist jetzt sechzig. Seine Argumentation, er habe nur Befehle ausgeführt und legitime militärische Ziele beschießen lassen, wurde vom Gericht nicht anerkannt. Terror gegen die Zivilbevölkerung ist in den Augen des Gerichts ein Straftatbestand. Und das, meint der ehemalige Deutschlehrer Mehmed Alicehajić, der dreimal nur knapp dem Tode entging, sollten sich auch andere Kriegführende merken.

ERICH RATHFELDER