Die Elefanten bekommen ihre Bühne

Streit um Steuern, Städte und Tarife: Rot-Grün und Schwarz haben sich in vielen Punkten geeinigt, aber die symbolischen Fragen sind noch offen. Über das Vorziehen der Steuerreform können nur Kanzler Schröder und CDU-Chefin Merkel entscheiden

AUS BERLIN HANNES KOCH

Revolutionen sind auch in Deutschland möglich. Zumindest kleine, zumindest auf Papier. Da verhindert die als kapitalfreundlich verrufene Union gerade, dass der sozialdemokratische Bundesfinanzminister Wohlhabende mit niedrigen Steuern beschenkt. Dies hat sich zugetragen im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat.

Dort beraten die Vertreter der Bundesregierung und der Bundesländer, ob zum 1. Januar 2004 die Steuern gesenkt werden, die bankrotten Städte mehr Geld erhalten und die Tarifverträge Öffnungsklauseln bekommen. Das Vermittlungsverfahren ist notwendig, weil die unionsdominierte Länderkammer alle Gesetze abgelehnt hatte, mit denen die rot-grüne Mehrheit des Bundestags die Wirtschaft in Schwung bringen will.

Dass bei den Verhandlungen bisher nichts herausgekommen sei, ist ein Gerücht. Das Gegenteil ist richtig. Beispiel: Steuern für Wohlhabende. Die Arbeitsgruppe Finanzen des Vermittlungsausschusses hat gestern beschlossen, dass im kommenden Jahr für alle Sorten von Kapitalerträgen – Zinsen, Aktiengewinne, Dividenden – eine gemeinsame Steuerregelung kommen soll. Nach dem Willen der Union darf dabei das Wort „Abgeltungssteuer“ keine Rolle spielen. Bundesfinanzminister Eichel (SPD) will diese Steuer bei niedrigen 25 Prozent fixieren. Infolge der Gegenwehr der Union wird der Steuersatz für Kapitalbesitzer künftig höher liegen – das Bundesfinanzministerium denkt jetzt an ca. 30 Prozent. Der Grund der erstaunlichen Wendung der Union: Die Abgeltungssteuer, die sich nicht am individuellen Einkommen orientiert, passt nicht zum Steuerkonzept von CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz.

„Wir haben eine ganze Menge geschafft“, sagt CDU-Haushaltsexperte Dietrich Austermann. Einigung wurde auch in anderen Punkten vorbereitet: Tabaksteuer, Besteuerung von Versicherungen und Firmengewinnen. Am kommenden Dienstag tagt zum letzten Mal eine Arbeitsgruppe zum Thema „Subventionen“, am Mittwoch könnte dann das Plenum des Vermittlungsausschusses entscheiden.

Offen sind allerdings die großen, symbolischen Fragen. Die Opposition will die Tarifverträge aufweichen, Rot-Grün lehnt ab. Die Union verweigert die rot-grüne Reform der Gewerbesteuer und das geplante Vorziehen der Einkommensteuersenkung. Auf irgendeine Reduzierung von Subventionen werden sich beide Seiten wohl einigen können, fraglich aber ist, ob die Summe ausreicht, um die Einnahmeausfälle der Steuerreform auszugleichen. „Die Bereitschaft, Finanzierungsmasse zu schaffen, war nicht sehr ausgeprägt“, sagt Joachim Poß (SPD). „Ich hoffe, dass es gelingt, den Reformprozess zu Ende zu bringen“, ließ sich Bundeskanzler Gerhard Schröder aus dem fernen Kasachstan vernehmen. Die Opposition gemahnte der Kanzler an „ihre Verantwortung für Deutschland“.

Das ist alles auch ein Spiel. „Warum soll man sich jetzt einigen? Auch die Elefanten brauchen ihre Bühne“, heißt es aus der zweiten Reihe. Entscheiden werden in zwei Wochen möglicherweise Schröder und Oppositionsführerin Angela Merkel.

Ein Spitzentreffen ist für die Union aber sehr riskant. Wenn sie der Senkung der Einkommensteuer zustimmt, steht Schröder gut da. Wenn Merkel ablehnt, steht Schröder auch gut da. Schließlich ist er es, der den Leuten 50 Euro mehr pro Monat zu geben bereit ist, nicht Merkel.

Welch imagemäßig verheerende Wirkung eine Blockade der Union mit sich bringt, demonstrierte gestern Hessens Ministerpräsident Roland Koch, als er die Bürger mahnte, Weihnachten nicht zu viel Geld auszugeben.