Volkszählung unter Wasser

Ein internationales Forschungsprojekt erstellt derzeit eine Bestandsliste aller Meeresbewohner. Über 1.000 Biologen beteiligen sich an der Suche

Eine internationale „Volkszählung“ der Lebewesen unter Wasser hat in diesem Jahr rund 13.000 neue Arten aus den Weltmeeren gefischt. Bis zum Abschluss des Projekts im Jahr 2010 glauben die rund 1.000 beteiligten Biologen aus 70 Ländern, bis zu zwei Millionen bisher unbekannte Mikroben, Fische und möglicherweise sogar Säugetiere in Flüssen und Meeren entdecken zu können.

„Bisher haben wir kaum die Oberfläche abgeschöpft“, erklärte einer der leitenden Forscher des „Ocean Biographic Information System“ (Obis), Frederick Grassle von der Rutgers-Universität im US-Bundesstaat New Jersey. „Die Menschheit hat weniger als fünf Prozent der Weltmeere erkundet, und selbst dort, wo wir geforscht haben, haben wir wahrscheinlich viel winziges Leben übersehen.“

Die Obis-Forscher erlaubten diese Woche über ihr Internet-Portal erstmals einen Einblick in ihre umfangreiche Datenbank. Offiziell sollen die Ergebnisse erst am kommenden Montag in Hamburg vorgestellt werden. Dort wollen die Obis-Forscher auf einer dreitägigen Konferenz mit dem Titel „Ocean Biodiversity Informatics“ die jüngsten Ergebnisse ihrer groß angelegten Studie diskutieren.

„Wir leben auf einem Planeten, der zu 70 Prozent aus Wasser besteht. Aber wir wissen weniger über den Boden unserer Meere als über den entferntesten Winkel des Mondes“, sagte Projektleiter Ron D’Or von der Halhousie-Universität in Halifax, Kanada. Derzeit wird die Zahl der Arten im Salzwasser auf etwa 230.000 geschätzt. Erst kürzlich fanden Biologen vor der Küste von Südafrika 400 neue Arten. Andere Teams, die sich auf Unterwassergebirge in der Mitte des Atlantiks konzentrieren, stießen auf bislang unbekannte Tintenfische und andere Tiefseespezies. Laut Obis werden jede Woche im Durchschnitt zwei neue Fischarten entdeckt.

Den Angaben zufolge ergab die Obis-Datensammlung unter anderem auch, dass die Zahl der Weißspitzen-Hochseehaie im Golf von Mexiko seit den 50er-Jahren um 99 Prozent zurückging. Die Lücke, welche die Raubfische im Ökosystem ließen, wurde demnach von den in Felsennähe lebenden Rochen gefüllt; deren Zahl stieg im Gegenzug deutlich an.

„Die Chance, einen neuen Fisch in 2.000 Meter Tiefe zu finden, ist 50-mal größer als die, entsprechenden Erfolg an oder nahe der Oberfläche zu haben“, führte D’Or weiter aus. Bisher mache die Suche in 2.000 Meter Tiefe gerade 0,1 Prozent aller aus dem Meer entnommenen Proben aus.

Ziel des Projekts ist eine dreidimensionale Karte mit Detailinformationen über den Artenreichtum der Weltmeere, seine Verteilung und die Wanderungsbewegungen rund um den Globus. DPA, AFP, WLF

Infos: www.coml.org, www.vliz.be/obi