Von Zoo zu Zoo

Prunksters 9 – die wöchentliche Kolumne von Henning Kober aus den USA. Heute geht’s um das Marsupilami

New York ist ein großer Zoo. Viele Tiere leben in der Stadt, mein Freund David hat einen Mops, Jamie führt reiche Rottweiler Gassi durch den Central Park und verdient zehn Dollar die Stunde. Zum klassischen Zoo aber fährt die Subway in die Bronx. Es regnet leichte Tropfen. Auf der Straße liegen gefallene Blätter in bunt, Sterne zum Greifen. Ein kleiner Junge, der mit seinen Eltern entgegenkommt, hat schon einen Strauß in der Hand. Ein großer Junge mit dicken Kopfhörern fragt im Vorbeigehen nach einer Zigarette, ist ganz verzückt, als ich ihm die Schachtel hinstrecke und erstaunt mich mit seinem: „Thank you brother“.

Das Mädchen an der Kasse bläst ihren Kaugummi. Dahinter totale Einsamkeit. Kein Mensch, kein Tier. Ich laufe vorbei an geschlossenen Buden, einem Schild hinterher, das verspricht: „Jungle World“. Ein unübersichtlicher Betonbau, hinter der Tür gönne ich mir eine Ankomm-Minute für die Augen.

Es ist feucht-dunkel, Urwald, na klar. Hinter Glas hängen auf Bäumen, ineinander vergraben, schlafende Tiere, die sehen affenähnlich aus. Einer sitzt allein in seinem bunt ausgemalten Fake-Urwald. Das ist das Masupial und ein Freund, weil das Masupial ganz offensichtlich verwandt ist mit dem Marsupilami, dem Prunkster der Comic-Tiere, und Freunde von Freunden sind Freunde.

Das Masupial schaut starr in die Ferne. Was es sieht? Ratloses Rätsel. Die Verwandtschaft zum gelb-schwarzen Supertrotzkopf legt aber nahe, dass hier gerade einer Kraft sammelt. In irgendeiner Lieblings-Sekunde den Schwanz auf volle acht Meter ausfährt, zu einer Feder spannt und einen gewaltigen Sprung macht. Nach Hause in den palumbianischen Urwald, wo Gattin, süße Kinder und Findelkind, Bambus futternder Königspanda, im federgepolsterten Nest unter rosa Riesenblume warten auf die Rückkehr des Abenteurers. So war das immer, als ich kleiner war und fest überzeugt, alles wäre so viel besser, wäre mein bester Freund ein kluger Hund oder das Marsupilami. Draußen tickt eine Uhr.

Seit vor zwanzig Jahren das Urwaldhaus in der Bronx gebaut wurde, ist die Hälfte des echten Urwalds verschwunden. 60 Hektar pro Minute. Dann haben meine Schulhefte aus Recycling-Papier wohl doch nicht so nachhaltig geholfen, wie der Hersteller behauptete. Im „Dancing Crane Café“ drehen sich elektrische Plastikweihnachtsbäume. Eine lange Tafel kleiner Jungs weiß genau, was jetzt gutes Laune-Essen ist: Pommes gold. HENNING KOBER