Gepöhle auf buckligem Geläuf

Borussia Dortmund und Hertha BSC Berlin tun sich beim 1:1-Grottenkick im Champions-League-geschädigten Westfalenstadion nicht weh. Nur den Besuchern blieb nichts erspart

VON ELMAR KOK

Fußball als Psycho-Thriller. Das hört sich nach einem guten Spiel an. War es aber nicht. Das Aufeinandertreffen der beiden Saison-Versager lief ab, wie es sich von der Tabellensituation vorher dargestellt hatte. Dennoch sind sicher einige Fans auf ihre Kosten gekommen. Es kommt nur darauf an, wie man sich Unterhaltung wünscht. Fans von Psycho-Thrillern warten auf das Unerwartete, das eintritt, darauf, dass eine der Hauptfiguren strauchelt oder sich in Situationen begibt, von denen der Zuschauer weiß, dass die Protagonisten diese nur mit Zufall und viel Glück überstehen werden. Das macht für Freaks diese Art der Spannung zur Unterhaltung.

Insofern war das 1:1 am Samstag im Dortmunder Westfalen-Stadion Unterhaltung. Ein Fußballspiel war es eher nicht. Dabei fing alles so behaglich weihnachtlich an. Dortmunds Stadionsprecher Norbert Dickel stellte als Nikolaus verkleidet das Buchprojekt „Das zerbrechliche Paradies“ vor. Die Co-Autoren Sebastian Kehl und Christoph Metzelder wenden sich mit ihrem Werk gegen Kinderpornografie. Als Dickel anschließend noch ein mehrminütiges Nikolaus-Gedicht vortrug, was „den Berlinern wahrscheinlich nicht gefallen wird“, hatte sich der BVB-Ansager richtig in Stimmung gebracht. Andere mögen nachvollziehen, warum es derzeit Diskussionen darüber gibt, Kinder nicht mehr auf den Schößen von Weihnachtsmännern und Nikoläusen zu plazieren.

Nach dem Anstoß war die vorweihnachtliche Stimmung jedoch schnell vorbei. Die Berliner ließen mit ihrer Dreierkette in der Abwehr erstmal keine zwingenden Chancen der Dortmunder zu, die sich aber auch meistens in der Mitte verrannten. Der schlechte Zustand des Westfalen-Rasens, der noch unter dem Siegesjubel der türkischen Fans vom Champions-League Auftritt gegen Juventus Turin litt, verhinderte Kombinationsfußball.

Den wollten die Berliner auch gar nicht spielen. Nachdem Artur Wichniarek bei Steilpässen der Berliner ein paar mal ins Abseits gelaufen war, stellten sich die Herthaner schon Mitte der ersten Halbzeit darauf ein, lieber kein Tor zu schießen und zu versuchen, erstmal keins zu bekommen. Unterhaltung gab es nur dann, wenn ein Spieler Fehler machte, was bei den Berlinern neben Wichniarek vor allem Arne Friedrich zum Hauptdarsteller machte. In der 29. Minute wollte der Jungnationalspieler mit dem Kopf zu Torwart Kiraly klären, bescherte damit aber nur Salvatore Gambino eine Torchance, die dieser jedoch frei vor dem Tor verköpfte. In der zweiten Halbzeit hätte Friedrich dann beinahe selbst Kollege Kiraly überwunden: In der 53. Minute schoß er aus drei Metern unbedrängt seinen Torwart an.

Umso erstaunlicher, dass die Borussen in der zweiten Halbzeit doch noch ein Tor erzielten. Leandro schaffte den ersten Schocker für die Berliner Fans. In der ersten Halbzeit für den erneut angeschlagenen Flavio Conceicao eingewechselt, lief er in der 69. Minute unbedrängt über den halben Platz und durfte dann Gabor Kiraly schlecht aussehen lassen, indem er ihn mit einem äußerst haltbaren Schuß aus 25 Metern überwand. Da liess sich der ehemalige Bundesligaschiedsrichter und Spielbeobachter Hellmut Krug zu einer Mutmaßung hinreißen: „Ist denen der Torwart festgefroren?“ Dagegen sprach allerdings, dass sich der ungarische Nationaltorhüter kurz zuvor weit aus dem Tor gewagt hatte um sich vor dem Mittelkreis mit einer Art von Kniebeuge warmzuhalten.

Zehn Minuten später durfte dann auch noch Alexander Madlung einnetzen, nachdem die Dortmunder nach einer Berliner Ecke den Ball nicht klären konnten. Für Dortmunds Trainer Matthias Sammer kam nun die Zeit der Rechtfertigung: „Es ist meine Pflicht, diese Mannschaft zu schützen. Ein Säugling kann auch keinen Mercedes fahren.“ - alles klar! Ein Messerschmitt-Kabinenroller hätte auch gereicht - im übertragenen Sinne natürlich.

Nach dem Ausgleich hielten die Berliner durch Abwehrfehler das Spannungsniveau hoch. Auch die Dortmunder schafften es immerhin, bei den Heimzuschauern noch einige Emotionen hervorzurufen. Einfach mal einen Freistoß dem abgewandten Niclas Jensen Richtung eigenes Tor aus fünf Metern in die Hacken spielen und alle sind wieder wach. Seltsam lethargisch nur der Däne. Er musste sich kurz vor dem Abpfiff vom Berliner Madlung viermal beschimpfen lassen, bevor ihm überhaupt eine Reaktion anzumerken war.

Fußball als ein kleines bisschen Horrorshow. Schade nur, dass Alex mittlerweile nicht mehr mit von der Partie war. Dann hätte es neben Horror vielleicht auch ein wenig Fußball zu sehen gegeben. Sammer ist jedenfalls zu allen Schandtaten bereit: „Wenn Sie einen finden, der es besser kann als ich, bitte.“ Danke!