Sicherheit nur für die Altbahner

Bis 2010 sollen alle an Bord bleiben, die länger als fünf Jahre bei der DB arbeiten. Die anderen könnten betriebsbedingt gekündigt werden: Der Konzern schreibt rote Zahlen. Dabei wäre eine bessere Bilanz machbar. Aber das ist nicht gewollt

VON ANNETTE JENSEN

Die meisten Beschäftigten der DB können sich erst einmal zurücklehnen: Für rund 150.000 Eisenbahner, die seit mehr als fünf Jahren im Konzern beschäftigt sind, wird es einen Kündigungsschutz bis zum Jahr 2010 geben. Das haben die Gewerkschaften Transnet und die für die Beamten zuständige GDBA am Mittwochabend mit der DB-Chefetage ausgehandelt.

Nicht von dem neuen Beschäftigungsbündnis profitieren dagegen die 11.000 Menschen, die seit weniger als fünf Jahren einen Arbeitsvertrag bei der DB haben: der Nachwuchs und die innovativen Quereinsteiger.

„Die könnten tatsächlich betriebsbedingt gekündigt werden“, räumt Transnet-Sprecher Michael Klein ein. Dagegen sind die Beschäftigten von Tochterunternehmen wie Bahn-Reinigung oder DB-Telematik einbezogen; für sie galt der Ende des Jahres auslaufende Vertrag nicht.

Noch unklar ist, wie die vereinbarten 5,5 Prozent Arbeitskostensenkung erreicht werden sollen. Im Gespräch sind Arbeitszeitverlängerungen. Beschäftigte fürchten allerdings auch rüdere Methoden. Immer wieder berichten Mitarbeiter von einer Atmosphäre der Angst; Vorgesetzte lauerten geradezu darauf, dass jemand Fehler mache, um dann eine Abmahnung zu erteilen.

Auch der massive Abbau von Schalterpersonal ist nicht nur mit langen Wartezeiten für die Kunden, sondern oft mit Lohneinbußen für die Beschäftigten verbunden. Wer anschließend zum Beispiel im DB-Call-Center arbeitet, bekommt mehrere hundert Euro weniger im Monat. Mit einem Qualifizierungstarifvertrag will Transnet solchen Entwicklungen entgegensteuern.

Dabei ist die Finanzlage des DB-Konzerns tatsächlich fatal. Im Juli wurde eine unbefristete Ausgabensperre verhängt – als Vorsichtsmaßnahme zur Erhaltung der Liquidität. Die Eigenkapitalquote ist auf 10,7 Prozent geschrumpft, und seit dem Jahr 2001 schreibt die DB AG rote Zahlen. Nachdem im Sommer der von DB-Chef Hartmut Mehdorn für 2006 fast schon fanatisch angestrebte Börsengang erst einmal abgeblasen wurde, scheinen sich auch die für dieses Jahr angekündigten Gewinne zu verflüchtigen. Am Ende des dritten Quartals musste Finanzvorstand Diethelm Sack beim Betriebsergebnis immer noch ein Minus von 54 Millionen Euro vermelden. Volle Züge zu Weihnachten sollen das Defizit abwenden.

Dabei gehen Experten davon aus, dass die DB „bei Bedarf“ durchaus positive Zahlen schreiben kann: Unmittelbar nach seiner Berufung zum Bahnchef ist es Mehdorn nämlich gelungen, enorme Rückstellungen anzuhäufen. Die UMTS-Milliarden und die fast nur noch aus Zuschüssen finanzierten Neubaustrecken machten es möglich. Diese Summen könnten zur Schönung der Bilanz deutlich gemindert werden.

Die Risiken der Bahn – zum Beispiel unerwartete Schwierigkeiten bei einer Neubaustrecke – sind mit 14 Milliarden Euro und damit über 30 Prozent der Bilanzsumme gesichert. Selbst Hochtechnologiekonzerne haben deutlich niedrigere Rückstellungsquoten. Doch weil der Börsengang erst einmal nicht kommt, wird Mehdorn diesen Trumpf in diesem Jahr stecken lassen.