Die Rote Nasen Fraktion

Clown-Spektakel im luftleeren Raum: Stefan Moskov inszeniert „Klein Zaches genannt Zinnober“ am Thalia Theater und holt erneut einen Anti-Helden auf die Bühne um den Alltag zu entnormalisieren

Stefan Moskov scheint eine Schwäche für Menschen am Rande der Gesellschaft zu haben: Der unglückliche Dichter Cyrano oder die Phantasiegestalt Pinocchio – in seinen Inszenierungen stehen die Außenseiter im Mittelpunkt. Sie verdrängen das scheinbar Normale und rücken zurecht, was wir gemeinhin als Richtig und Falsch definieren.

Nach der Vorlage von E.T.A. Hoffmanns fantastischer Erzählung „Klein Zaches genannt Zinnober“ holt der bulgarische Regisseur erneut einen Anti-Helden auf die Thalia-Bühne: Den missgestalteten und boshaften Zwerg Zaches, der durch den Zauber einer Fee plötzlich die Liebe und Bewunderung all seiner Mitmenschen auf sich vereint.

Moskov hat beschlossen, den „Zaches“ als Parabel zu inszenieren. Gezeigt werden soll, wie man das Schöne hässlich macht und das Hässliche schön – und dafür ist dem Regisseur kein Umweg zu weit.

Und so tollt erst mal eine Stunde lang eine wild gewordene Clowns-Gruppe über die Bühne. Sie steht für das Volk der Roten Nasen, die friedlich in ihrem Reich der Fantasie leben. Dann aber machen ein debiler König und sein machtgieriger Minister dem lustigen Völkchen den Garaus. Im Zeichen der „Aufklärung“ werden den Harlekins die Nasen abgeschraubt, den fliegenden Pferden die Flügel gestutzt und die Feen zum Sockenstricken verurteilt. Am Ende mutieren alle Clowns zu Sklaven der Arbeit. Die „grauen Herren“ aus Momo lassen grüßen.

Moskovs Zirkuszauber ist zwar hervorragend choreographiert, was das Ganze allerdings mit dem Schicksal des „Klein Zaches“ zu tun haben soll, bleibt im Dunkeln.

Als sich der Regisseur schließlich erbarmt und seine Titelfigur mit großer Verspätung doch noch ins Rennen schickt, ist es allein Judith Rosmair als Zaches zu verdanken, dass die Aufführung noch einmal die Kurve kriegt. Sie gibt den kleinen bösartigen Gnom mit so viel schauspielerischer Wollust, dass man es dem Regisseur erst recht übel nimmt, dass er aus ihm bloß eine Randfigur gemacht hat.

Bis zum Ende erschließt sich nicht, warum Moskov dem Prolog einen so großen Stellenwert eingeräumt hat. Denn die eigentliche Geschichte über Aufstieg und Fall des Klein Zaches, die durchaus mehr Raum verdient hätte, kommt zu kurz. Es bleibt das Gefühl, dass sich Moskov über seine Detailverliebtheit den Blick auf die große Linie verbaut hat. Carolin Ströbele

Weitere Vorstellungen: 10.12., 19.12., jeweils 20 Uhr, Thalia Theater