Wie föderal bleibt unser Land?

VON CHRISTIAN RATH

Die „Mutter aller Reformen“ droht zu scheitern. Seit rund einem Jahr suchen Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und SPD-Chef Franz Müntefering nach Wegen aus der deutschen Stagnation. Gemeinsam leiten sie die Föderalismuskommission, die Deutschland wieder regierbar machen soll. Bundesrat und Bundestag sollen sich künftig weniger blockieren, Reformen sollen leichter machbar sein. Doch noch ist der ganz große Kompromiss nicht in Sicht.

Dabei wird die Zeit langsam knapp. Am 17. Dezember will die Kommission, der 16 Bundestagsabgeordnete und die 16 Ministerpräsidenten der Länder angehören, Vorschläge für eine große Grundgesetzreform vorlegen. Die Idee ist eigentlich ganz einfach: Die Länder verzichten auf Zustimmungsrechte im Bundesrat und machen die Bundespolitik damit handlungsfähiger. Im Gegenzug gibt der Bund einige Kompetenzen an die Länder ab und stärkt damit deren Gestaltungsfähigkeit.

Doch wenn sich heute Stoiber, Müntefering und ein Dutzend Kommissionsobleute im Reichstag zur Strategiebesprechung treffen, haben sie große Sorgen. Die Länder sind zwar bereit, im Bundesrat auf manche Zustimmungsrechte zu verzichten, wollen dafür aber andere neu einführen. Nach Prognosen des Finanzministeriums hätte der Bundesrat weiterhin bei 50 bis 60 Prozent aller Bundesgesetze ein Vetorecht. So hätte man sich die Reform auch sparen können.

Und auch mit der Kompensation gibt es Probleme: Vor zwei Wochen hat Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) den Ländern zwar ein großzügiges Angebot gemacht, doch diese wollen gar nicht so viele neue Aufgaben haben. Vor allem die kleinen und armen Länder sind zögerlich. Die Länderseite schlägt deshalb ein Zugriffsmodell vor: Demnach dürfte der Bund zum Beispiel beim Naturschutz weiter Gesetze machen, von denen die Länder aber abweichen können. Folge: Leistungsstarke Länder würden eigene Regelungen schaffen, in schwachen Ländern gälte das Bundesrecht. Kanzler Schröder hat solche Ideen empört zurückgewiesen: „So kann man Deutschland nicht regieren.“ Die Regierung glaubt, dass Investoren abgeschreckt werden, wenn bei wichtigen Fragen in jedem zweiten Land eine andere Regelung gilt.

Vor zwei Wochen haben Müntefering und Stoiber in einem 12-seitigen „Sprechzettel“ aufgeschrieben, wo Konsens besteht und wo noch Dissense zu beseitigen sind. Die offenen Fragen überwogen dabei deutlich. Und dann gibt es noch Otto Schily, der die Verhandlungen mit seinem Wunsch nach einer neuen „Sicherheitsarchitektur“ belastet. Er will, dass das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz künftig eine stärkere Rolle spielen und gegenüber den Sicherheitsbehörden der Länder aufgewertet werden. Dass die Länder hier nicht zu Kompromissen bereit sind, hat die letzte Innenministerkonferenz gezeigt. Schily quittierte den Streit mit der Ankündigung, nun werde er seine Pläne in der Föderalismuskommission vertreten. Doch es gibt keinen Grund, warum die Länder hier verständnisvoller sein sollten. Eigentlich sollen sie mehr Kompetenzen erhalten, Schily will ihnen welche wegnehmen. An ihm könnte alles scheitern.