Gargamel im Gewusel

Sultaneske Wallung trifft auf Schlumpf-Hack: Am Wochenende kamen rund 1.000 Kreative ins Bremer Messezentrum zum internationalen Design-Workshop-Kongress „Profile Intermedia“

Gelbe Rückenfrei-Eleganz trifft auf die wulstig geworfene Halskrause

Schlumpf-Hack. Als Nachmittags-Snack gibt‘s heute Schlumpf-Hack. Schlumpf-Hack mit Gargamel-Blut. Man sollte eine Imbissbude eröffnen, ach was, eine ganze Kette, die Schlümpfe sind weltbekannt, dann wird Schlumpf-Hack auch weltweit gegessen. Außerdem ist Schlumpf-Hack vegetarisch und gesund und bereits sattsam in den Markt eingeführt unter der Bezeichnung „Reiscurry“. Nur, dass beim Schlumpf-Hack das Auge mitisst: Der Reis ist blau und das Curry tiefrot und beides geht ganz schnell mit Hilfe der kleinen Fläschchen mit den Lebensmittelfarben. Irgendein Sponsor da draußen, der einsteigt? Oder zumindest ein Webmaster, der weiß, wie man Schlumpf-Hack über das Internet vertreibt? Nein?

Dann lieber den Ball flachhalten: „Das Ziel ist, dass die Leute zusammenkommen, sich als Team arrangieren und etwas machen, das ein bisschen seltsam ist“, sagt Ellen Jacoby, die Leiterin dieses Workshops namens „Sticky Fingers“ auf dem Design-Kongress-Workshop „Profile Intermedia“. Sie hatte an die Teilnehmer schlicht Lebensmittel und Lebensmittelfarben ausgegeben und die Jung-Designer eine Stunde machen lassen. Im Gewusel zu hören: „Wisst Ihr, was die Aufgabe ist?“ – „Nee.“ – „Gemüse schneiden, das ist doch keine Überforderung.“

Allerdings: Diese Sätze täuschen. Denn eigentlich sprich man englisch auf der „Profile Intermedia“, und das mit gutem Grund: Nicht nur die Agenda der Redner und Workshop-Leiter ist international besetzt, auch die vorwiegend studentischen Besucher des Bremer Crossover-Kongresses kommen von überall her, sei es aus Schweden, dem Libanon oder den USA. Sprechen sie über die „Profile Intermedia“, dann ist oft von einem „Event“ die Rede, einer Veranstaltung, die es so sonst nirgends gäbe. Man freut sich über die Big Names unter den Dozenten und ist ansonsten neugierig aufeinander – ein Neugier, bei der es (noch) nicht ums Geschäft geht. Sondern um eine Kreativität, die im Design zuhause ist und von da aus in Richtung Fotografie, Film, Kunst und Musik blickt.

Vor allem, wenn sich wie im Vortrag des Briten Ken Garland Erfahrung und Feuer treffen: Der Autor des Disignmanifests „first things first“ von 1963 lieferte bei der Vorstellung seiner Arbeit als Fotograf, Spieleerfinder und Grafiker eine One-Man-Show, die zeigte, dass das alte Kreativen-Credo „Wir machen genau das, was wir wollen“ nicht nur leere Phrase sein muss. Gut möglich, dass Garlands Energie damit zu tun hat, dass bei ihm nicht die Großkunden-Akquise im Vordergrund steht – wie beispielsweise beim Vortrag eines Abgesandten des Design-Konzerns „F.r.o.g.“. Der konnte zwar über die Design-Genese von Lufthansa Airport-Terminals berichten, war aber ansonsten – mit den Worten eines Konferenzteilnehmers – „braindead boring“.

Dann schon lieber die trashigen Comic-Figur-Kreationen der schottischen Designagentur „Airside“, sichtbar von der Club-Kultur inspiriert und erstaunlich locker geblieben – auch wenn derzeit japanische Geschäftsdamen in strengen Röcken den Vertrieb einer „Airside“-Puppenfamilie durch Sony debattieren. Oder das Bremer Modeprojekt „Anziehgruppe“, das bei ihrer Performance „Dahinter/Jetzt“ wider dem üblichen Designer-Ego die Autorenschaft aushebelt: 16 StudentInnen, so das Konzept, versorgten sich mit Stoff, fingen das Schneidern an und tauschten die Ergebnisse in regelmäßigen Abständen, auf dass ein/e andere/r weiterschneidert.

Das Ergebnis ist eine sehr kurzweilige, sehr anarchische Modenschau: Gelbe Rückenfrei-Eleganz trifft auf sultaneske Wallung trifft auf die wulstig geworfene Halskrause. Der himmelblaue Hosenanzug war auch dabei – und er würde wunderbar passen in das Restaurant, das „Gemüse schneiden, das ist doch keine Überforderung.“demnächst weltweit Schlumpf-Hack serviert. Klaus Irler