Die Weihnachtsfeier wird zur „trüben Nummer“

Das 0:2-Debakel gegen Ahlen passt zur Stimmung bei Union: Der Präsident denkt über auslaufende Verträge nach, die Spieler packt Zukunftsangst

In der 84. Minute war es endgültig vorbei mit der Adventsstimmung an der Alten Försterei. Da traf Musemestre Bamba zum 1:0 für LR Ahlen beim 1. FC Union Berlin. In diesem Moment hatte keiner der Spieler in den rot-weißen Trikots mehr wirklich Lust auf die für den Abend in einem Hotel angesetzte Weihnachtsfeier. Kurz vor Spielende erzielte bei einem Konter dann auch noch Cyrille Bella das 2:0 für den Vorletzten der Zweiten Bundesliga, und Unions Trainer Mirko Votava stöhnte: „Unsere Feier wird ein trübe Nummer.“ Eigentlich war Union die bessere Mannschaft, doch letztlich brachten sich die Eisernen durch Uneffektivität und Disziplinlosigkeit selbst auf die Verliererstraße.

„Dämlich und dusselig“ nannte Votava das, was sieben Minuten vor dem ersten Treffer passiert war: Da hatte Thomas Sobotzik den späteren Torschützen Bamba noch am Mittelkreis rüde gefoult und für diese sinnlose Aktion die gelb-rote Karte gesehen. Er schwächte so sein Ensemble, das durch die Niederlage gegen den direkten Konkurrenten wieder tief in den Abstiegsstrudel rutscht.

„Ahlen war doch mit dem Punkt zufrieden. Die haben erst Hoffnung bekommen, als wir nur noch zehn Mann waren“, sagte Stürmer Sreto Ristic, der aber noch hofft: „Ein Punkt in Karlsruhe, dann drei gegen Burghausen – und wir haben noch ein fröhliches Fest.“

Schön wäre es, bei all den Sorgen, die drücken. Denn hinter den Kulissen macht sich bei zahlreichen Unionern Zukunftsangst breit. Nur ein Spieler, Kapitän Steffen Baumgart, 31, hat bisher von der Vereinsführung ein klares Signal erhalten, dass sein Kontrakt verlängert werden soll. „Wir wollen ihn halten“, sagt Präsident Schlebrowski. Neun andere Spieler leben mit der Ungewissheit: Sreto Ristic, Jiri Balcarek, Ivan Kozak, Michael Molata, Jan Sandmann, Tom Persich, Kostadin Vidolov, Salif Keita und Chibuike Okeke. Ihre Kontrakte sind nur bis Juni 2004 datiert. „Entweder der Verein sagt den Leuten bald, woran sie sind. Oder es gibt einen erneuten Umbruch“, sagt Baumgart.

Es sind Wochen der Entscheidungen. Zwar ist die Klubführung nach überstandener Mitgliederversammlung wieder handlungsfähig, doch die finanziellen Voraussetzungen haben sich geändert. Angst um die Lizenz war aufgekommen, weil nach Angaben von Schlebrowski eine 140.000-Euro-Deckungslücke für Dezember und zudem hohe Verbindlichkeiten bekannt wurden. Bis heute hat der Klubchef keine Idee, wie er das Problem lösen will.

Unklar auch, was aus dem Überbrückungskredit von 300.000 Euro wird, den die Hausbank zuletzt verweigert hatte. Den Kredit benötigt Union, um die kommenden Gehälter fristgerecht bezahlen zu können. Denn erst im Februar gibt es wieder die nächste Fernsehgeldrate. So hat Schlebrowski laut über eine Gehaltsstundung nachgedacht – und dann in einer Rede vor der Mannschaft betont, man wolle die Probleme anders in den Griff bekommen.

Ein Widerspruch, der auch den Kickern auffällt: „Wir messen den Präsidenten an dem, was er uns persönlich gesagt hat“, betont Sobotzik, „es wäre jedoch unglücklich, wenn das nicht eintrifft. Der Verein muss nach den Vorgängen im letzten Jahr mit dem angeordneten Gehaltsverzicht aufpassen, dass nicht die Glaubwürdigkeit verloren geht.“

Weil Gläubiger wie Kinowelt-Chef Kölmel ihr Geld einfordern, zeitgleich TV-Gelder und Zuschauerzahlen hinter den Erwartungen zurückbleiben, stehen jedenfalls weitere Sparmaßnahmen an. „Wir müssen definitiv den Etat reduzieren, um überleben zu können. Und unsere einzige Chance in dieser prekären Lage ist, dass zehn Verträge auslaufen“, sagt Schlebrowski. Von einer Budgetminderung um 1,5 Millionen auf 5 Millionen Euro ist intern die Rede. Der Verein müsse sich von manchem Spieler trennen, „weil wir teilweise viel zu hohe Gehälter ohne Leistungsbezug bezahlen und einige überfordert sind in der Liga“.

Letzteres gilt zwar nicht für Spielmacher Kostadin Vidolov, doch er soll 10.000 Euro Fixgehalt pro Monat kassieren und obendrein eine hohe Einsatzprämie. Er gilt nun als erster Kandidat für einen raschen Abschied. Unions ehemaliger Trainer Georgi Wassilew will ihn zu Levski Sofia lotsen. Merkwürdigerweise laboriert Vidolov seit Wochen an einer harmlosen Muskelverletzung, die laut Coach Mirko Votava längst verheilt sein müsste.

„Wenn der Trainer ihn abgeben will, lösen wir Vidolovs Vertrag auf“, sagt der Vereinschef. Der Etat würde entlastet, ein billigerer Spieler könnte übernehmen. So wären beide Seiten zufrieden. MATTHIAS WOLF