berliner szenen Rossmanns Lebensretter

„Nie mehr allein“

Eine Drogeriekette hat mein Leben gerettet. Sogar die Johanniskrautkapseln aus dem Bioladen habe ich weggeschmissen, denn in der CD-Abteilung bei Rossmann habe ich etwas Besseres gefunden, um ohne Depression durch den Winter zu kommen. „Nie mehr allein“ zu sein verspricht mir meine Neuanschaffung. „Die ultimative CD für den, der alles hat – außer einen Lebenspartner. Und für den, dem nichts fehlt – am wenigsten ein Lebenspartner.“ Hinter Titeln wie „Ein wenig die Haare fönen“, „Jeder muss mal“ oder „Endlich ist der Kühlschrank wieder voll“ verbergen sich die vertrauten Alltagsgeräusche, die ein Mensch erzeugt, mit dem man die Wohnung teilt. Das Beste daran: Man kann ihn jederzeit ausschalten.

Mein akustischer Partner, der laut Gebrauchsanweisung besonders authentisch ist, wenn man den CD-Player ganz leise stellt, bügelt, macht den Abwasch und geht auch ganz gern mal ins Solarium. Gut, der Geschirrberg wird dadurch nicht kleiner, aber dafür riecht die Wohnung auch nicht nach Rauch, wenn mein neuer Mann bei Track 14 „Lieber lesen und eine rauchen“ will.

Als ich gestern im Badezimmer meine Kontaktlinsen einsetzen wollte, störte mich das laute Geräusch des Mixers, denn es lief gerade der Titel „Für den Liebling einen Kuchen backen“. Ich rief: „Schatz, kannst du kurz den Mixer ausschalten“ – und tatsächlich: Er gehorchte. „Danke“, rief ich wieder Richtung Küche, und mein Mitbewohner – von dem ich mir zumindest einbilde, er sei ein Mann – nahm ein Vollbad.

Ein wenig ärgerlich ist der letzte Titel „Ein Roastbeef in die Pfanne hauen“, denn ich bin Vegetarierin. Aber ich werde mich in Toleranz üben. Eine Drogerie hat mein Leben gerettet, bis zum Frühling bin ich wieder beziehungsfähig. LAURA EWERT