Der Arm des Assistenten

Ein sonst weitgehend nichts sagendes 1:1 zwischen Bremen und Bayern München führt dazu, dass ein Würstchenfabrikant nun wieder glaubt, die beste Fußballmannschaft des Landes zu managen

AUS BREMEN DANIEL SCHALZ

Als die meisten Stadionbesucher bereits in den überfüllten Kneipen rund um das Stadion über Elfmeter und Abseits diskutierten, stand vor der Bremer Kurve immer noch ein Häuflein Werder-Fans. Deutlich mitgenommen vom Spiel und dem einen Beck’s zu viel krächzten sie ihr „Deutscher Meister wird nur der SVW“ einigen vorübergehenden Bayern-Anhängern nach. Doch diese lächelten nur, denn es klang bei weitem nicht mehr so Furcht einflößend wie noch einige Stunden zuvor. Das vermeintliche Spitzenspiel zwischen Werder und dem FC Bayern München hatte keinen Sieger ergeben, sondern nur ein 1:1 und die Erkenntnis: Der von vielen erhoffte Rollentausch hatte vorerst nicht stattgefunden.

Das erste Mal seit zehn Jahren waren die Norddeutschen vor dem Spiel gegen die Münchner besser platziert als ihr Gegner. Selbst Bayern-Manager Uli Hoeneß hatte jüngst verlauten lassen, Werder sei „die zurzeit beste deutsche Mannschaft“. Im Kicker wurde über eine „Wachablösung“ im deutschen Fußball nachgedacht. Der Stadionsprecher sprach vor der Partie davon, der FC Bayern habe am vorangegangenen Spieltag dem 1. FC Köln ein 2:2 „abgetrotzt“. Das war freilich nicht ganz ernst gemeint, und die allgemeine Stimmung im mit 43.000 Zuschauern ausverkauften Weserstadion war eigentlich wie immer: Heute schicken wir kleinen, armen Bremer die großen, reichen Bayern mit einer saftigen Packung nach Hause. Der Mannschaft auf jeden Fall, entfuhr es Bremens Trainer Thomas Schaaf ungeduldig, sei diese ganze Diskussion schnurzpiepegal gewesen.

Von der grün-weißen Spielfreude der vergangenen Wochen war jedoch trotz aller Konzentration in der ersten Halbzeit kaum etwas zu sehen. Werder wirkte verkrampft, die Bayern machten von Beginn an kombinations- und ballsicher das Spiel. Das Konzept von Trainer Ottmar Hitzfeld mit drei Stürmern und einem sehr defensiv ausgerichteten Michael Ballack, der sich laut Torwart Oliver Kahn „für die Mannschaft geopfert“ habe, ging auf. Vor allem Claudio Pizarro brachte seine ehemaligen Bremer Mannschaftskollegen wiederholt in Verlegenheit. Zweimal hatte der Peruaner aus kurzer Distanz die Führung auf dem Fuß, scheiterte aber an Werder-Keeper Reinke. Es habe sicherlich „auch“ am Gegner gelegen, dass seine Mannschaft nicht in den gewohnten Spielfluss gekommen sei, meinte Thomas Schaaf später. Erst nach 25 Minuten hatte Werder so etwas wie eine Torchance, ein Freistoß von Valerien Ismael, Werders Bestem an diesem Tag, strich hauchdünn am Pfosten vorbei. Zehn Minuten später traf Bremens Davala aus sechs Metern nur das Außennetz. Das war’s in einem von den Gästen dominierten ersten Durchgang, die Aufreger hatten sich die Akteure für die zweite Halbzeit aufgehoben.

Aufreger Nummer eins: In der 57. Minute trifft Bixente Lizarazu Gegenspieler Ivan Klasnic im Strafraum mit der Faust im Gesicht, Letzterer fällt ein wenig zu theatralisch, bekommt aber den Elfmeter, den Ailton gewohnt sicher zu seinem 14. Saisontor verwandelt. Später meinte Hitzfeld, von Klasnic wisse man ja, „dass der leicht falle“, und Lizarazu fragte, wo er denn mit seinem Arm hin solle, wenn er zum Kopfball hochsteigt, zumal er den in seinem Rücken lauernden Werder-Stürmer nicht habe sehen können. Mit Ausnahme Lizarazus allerdings war man sich einig, dass man diesen Elfmeter „durchaus geben kann“ (Kahn). In der Folge vergibt Ailton gute Konterchancen, um die bis dahin glückliche Führung zum spielentscheidenden 2:0 auszubauen.

Stattdessen kommt es zu Aufreger Nummer zwei: In der 79. Minute erzielt Pizarro den verdienten Ausgleich für die Bayern. Die Fernsehbilder beweisen später jedoch, dass der Stürmer dabei im Abseits stand. Was Thomas Schaaf in Rage brachte, da der verantwortliche Linienrichter in der ersten Halbzeit Werders Angriffsbemühungen in schöner Regelmäßigkeit Fahne schwenkend beendete: „Die ganze erste Halbzeit kriegt er den Arm nicht runter und dann passt er in der entscheidenden Situation nicht auf.“ Am Ende ärgerten sich beide Übungsleiter darüber, dieses Spiel nicht gewonnen zu haben. Und beide waren froh, es nicht verloren zu haben.

Einer immerhin glaubte, doch einen Erfolg davongetragen zu haben. Bevor er in den Bus stieg, verkündete Uli Hoeneß noch schnell, dass er Werder ab sofort nicht mehr für die beste deutsche Mannschaft halte, „weil Bayern wieder besser ist“.

Werder Bremen: Reinke - Davala, Ismael, Baumann, Stalteri - Lisztes, Borowski, Micoud, Ernst - Ailton, KlasnicBayern: Kahn - Salihamidzic, Kuffour, Kovac (70. Demichelis) Lizarazu - Hargreaves, Ballack - Santa Cruz, Zé Roberto (73. Sagnol) - Makaay, PizarroZuschauer: 43.000 (ausverkauft)Tore: 1:0 Ailton (58./Foulelfmeter), 1:1 Pizarro (78.)