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Nach dem 4:1 gegen Lautern steht der VfL Wolfsburg da, wo er immer steht – noch nicht da, wo er eigentlich hinwill

WOLFSBURG taz ■ Die Bundesliga ist derzeit eine klar ausdifferenzierte Mehrklassengesellschaft. Vorne stehen vier gutklassige Teams, die erfolgreichen und ansprechenden Fußball spielen. Dann kommt eins (Dortmund), dessen Richtung sich noch entscheidet. Danach kommt eine Lücke, entstanden durch das Schwächeln dreier Teams (Schalke, Hertha, HSV). Dort, auf Platz 6, sich festzubeißen und Anschlussfähigkeit nach oben sowohl spielerisch als auch tabellarisch nachzuweisen, darum spielen jetzt all jene Teams, für die es letztlich erklärtermaßen nicht nur um die Vermeidung des Abstiegs geht. Das sind mit Abstrichen 1860 München, Schalke, HSV und hauptberuflich der VfL Wolfsburg.

Wolfsburg hat mit dem 4:1 über den 1. FC Kaiserslautern zweierlei bewerkstelligt: Sich selbst zurück in dieses mühselige Geschäft gebracht. Und den Gegner entgültig letzter schwacher Hoffnungen darauf beraubt. Der schnelle, kompakte und ansatzweise Erfolg versprechende Konterfußball des FCK währte nur eine Halbzeit, danach genügten dem VfL fünfzehn Minuten, um die Kontrolle zurückzugewinnen, die Kompaktheit des FCK aufzulösen und seinen Kombinationsfußball durchzusetzen. Daran änderten auch Eric Gerets’ personelle und taktische Wechsel (von 4-4-2 auf 4-3-3-) nichts mehr. „Schmerzhaft schlecht“, nannte der FCK-Trainer die Leistung seines Teams in der zweiten Halbzeit, in der „zu viele Dinge falsch“ liefen.

Man muss allerdings sagen, dass man auch vom VfL Wolfsburg schon bessere Spiele gesehen hat. Wer Wolfsburg sagt, meint übrigens zunächst Andres d’Alessandro (22), in zweiter Linie die von ihm geführte Südamerika-Offensive. Der argentinische Spielmacher hat etwas nach Wolfsburg gebracht, was man dort trotz Effenberg noch nicht gesehen hat: Eine für Bundesligaverhältnisse außergewöhnliche Verbindung von Fußballkunst und Effizienz. Lautern hatte das Spiel im Griff, solange es ihn aus dem Spiel hielt.

Dazu kam die notorische Defensivschwäche, speziell in der Luft, die unüberraschenderweise zum 0:1 durch FCK-Kapitän Knavs führte. Angstschweiß, Herr Röber? „Ist doch logisch“, sagte Röber, „dass man da Sorgen kriegt.“ Wolfsburg hatte zuvor dreimal in Folge verloren, und Röber weiß, „wie das im Fußball ist“. Es „schaukelt sich hoch“. Tat es nicht, weil d’Alessandro dann doch die Pässe spielte, die sonst keiner spielt. Beim 1:1 war es ein Doppelpass, der einfach zu spielen aussah, aber im Ergebnis etwas brachte, was nicht alle Tage vorkommt bzw. so gut wie nie: den linken Bahnspieler Patrik Weiser auf seine alten Tage noch mal an die Grundlinie. Auch bei Baianos 2:1 war es vordergründig ein kleiner Pass. Aber der spielte Baiano frei. Selbstverständlich darf der Brasilianer vordergründig als Held des Spieltages gelten, da er ja auch noch das dritte und spektakulärste Tor machte. Diesmal vorbereitet von Juan Carlos Mensequez, dem zweiten Argentinier. Der dritte fehlte gelbgesperrt, Strafraumstürmer Diego Klimowicz, woraus sich die Frage ergibt, ob das Baiano zupass kam.

Fernando Baiano (24) ist ein echter Abschlussspieler. Einer von der Schleicher-Sorte, der im Spielverlauf daran arbeitet, irgendwann unsichtbar zu sein – und dann zuzuschlagen. So hat er 7 Tore in 11 Spielen gemacht. Baiano ist seit Ende August ausgeliehen von Flamengo Rio, mit einseitiger Kaufoption. Heißt: Wenn ihn der VfL will, kriegt er ihn. Ein Dreijahresvertrag ist im Gespräch. Eilt nicht, sagt Manager Peter Pander: „Wir können uns bis Mai entscheiden.“ Röber schätzt Baiano für seine erstaunliche Ruhe: „Wenn der aufs Tor zugeht, kannst du eigentlich sicher sein, dass er drin ist.“ Allerdings: Vor einer Woche gegen Gladbach scheiterte er mehrfach, wodurch Röber drei jener sieben Punkte verloren gingen, die er zu haben müssen glaubt, wenn er Leistung und Ergebnis vergleicht. Der VfL hat inzwischen zu viele Spiele verloren, „wo es hieß: gut gespielt“ (Röber). Aber das gehört halt auch dazu. So steht man immer noch da, wo man immer steht – jenseits des Uefa-Cup-Platzes. Manager Pander sagt, er könne die Leute, die den tabellarischen Fortschritt einklagen, ja schlecht mit dem Hinweis auf die gesteigerte Qualität der Offensive vertrösten. Aber warum eigentlich nicht? Außerhalb der ersten vier der Liga können das nicht viele Fußballunterhaltungsunternehmen für sich beanspruchen: Es macht manchmal richtig Spaß, dem VfL zuzusehen. PETER UNFRIED

VfL Wolfsburg: Ramovic - Rytter, Franz - Karhan, Schnoor, Sarpei, Weiser - Menseguez, D’Alessandro (79. Ponce), Petrow (75. Topic) - Baiano (86. Hrgovic)1. FC Kaiserslautern: Wiese - Reuter, Knavs, Mettomo, Tchato - Nurmela (53. Anfang), Hengen, Hristow, Kosowski (75. Dominguez) - Klose, Altintop (46. Lokvenc)Zuschauer: 17.172Tore: 0:1 Knavs (14.), 1:1 Baiano (23.), 2:1 Baiano (53.), 3:1 Baiano (55.), 4:1 Schnoor (90.+1/Foulelfmeter)