Eine Million gegen Berlusconis Reform

In Italien demonstrieren die Gewerkschaften gegen die Rentenpläne der Regierung – kein Kompromiss in Sicht

ROM taz ■ Etwa eine Million Menschen haben am Samstag in Rom gegen die Rentenpläne der Regierung Berlusconi demonstriert. „Difendi il tuo futuro“ – „Verteidige deine Zukunft“ hieß es auf dem großen Transparent an der Zugspitze. Dem Aufruf waren die Anhänger der drei großen Gewerkschaftsbünde CGIL, CISL und UIL massiv gefolgt.

Die Regierung mochte im Vorfeld gehofft haben, dass sich an der Protestfront nach den Mega-Demonstrationen des Jahres 2002 mittlerweile Ermüdung eingestellt hat. Doch diese Hoffnung wurde eindeutig enttäuscht. Quer durch die Generationen, quer durch die Branchen war am Samstag das Gewerkschaftsvolk vertreten: von den 30-Jährigen, die sich mit prekären Arbeitsverträgen in Call-Centern durchschlagen, über die mittlere Generation der Metaller, der Bankangestellten, der Staatsbeschäftigten bis zu den in Massen angereisten Rentnern.

Ziel ihres Protestes war die für 2004 vorgesehene Rentenreform, die gegenwärtig dem Parlament zur Beratung vorliegt. Sie sieht vor, dass im Jahr 2008 ohne jede Übergangsregelung das Renteneintrittsalter um fünf Jahre angehoben wird. Nach der bisherigen Regelung können Arbeitnehmer nämlich nicht nur bei Erreichen der Altersgrenze (65 Jahre für Männer, 60 für Frauen) in Rente gehen, sondern auch schon mit 57 Jahren – wenn sie mindestens 35 Beitragsjahre bei der Rentenversicherung vorweisen können. Aus den 35 sollen 2008 mit einem Schlag 40 Jahre werden.

Daran erbittert die Gewerkschaften nicht nur, dass der Kern ihrer Anhängerschaft aus den Alterskohorten der heute 40- bis 50-Jährigen getroffen wird. Für zusätzliche Erbitterung sorgt, dass die Regierung keinerlei Interesse an im Konsens mit den Bünden erreichten Lösungen zeigte: Für „Verhandlungen“ über das Reformpaket räumte der Arbeitsminister im Herbst gerade mal drei Tage ein. Auch von dem Millionenprotest am Samstag zeigte sich die Rechtskoalition unbeeindruckt. Berlusconi schwieg, und sein Vize Gianfranco Fini erklärte nur, die Regierung werde „sich nicht dem Druck der Straße beugen“.

Ein Kompromiss ist deshalb von den für nächsten Donnerstag anberaumten erneuten Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Regierung kaum zu erwarten: Arbeitsminister Roberto Maroni versah die Einladung mit der hübschen Aufforderung an die Bünde, doch selbst Rentenvorschläge vorzulegen, die allerdings den gleichen Einspareffekt wie die Regierungspläne haben müssten. Genauso wenig kompromissbereit zeigen sich die Gewerkschaften: Der CISL-Vorsitzende Savino Pezzotta erklärte auf der Kundgebung, über Änderungen an der Reform werde die Gewerkschaft nicht reden, sie fordere deren Zurücknahme. So kann als sicher gelten, dass die gewerkschaftlichen Proteste nach dem Generalstreik vom Oktober und der Massendemonstration vom Samstag im Januar in die nächste Runde gehen werden. MICHAEL BRAUN

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