Klaus Wowereit sucht Ärger

Ausgerechnet der Bürgermeister des von Studentenprotesten geschüttelten Berlin will Studiengebühren. Mit dieser Forderung, glaubt er, bleibt er nicht lange allein in der SPD

BERLIN taz ■ Gegenwind ist Klaus Wowereit gewohnt. Täglich demonstrieren Studenten gegen die geplante Kürzung von 75 Millionen Euro bei den drei Universitäten der Hauptstadt. Doch sucht der Regierende Bürgermeister auch in der Bundespolitik Widerspruch. Der SPD-Politiker argumentiert für die Einführung von Studiengebühren – in den Tagen der Demos („Bildung ist keine Ware“) nicht unbedingt eine populäre Forderung.

Aber eine, mit der man gehört wird. Gestern Abend schaffte es der Bürgermeister ohne Fachhintergrund damit in die erste Garde der Bildungspolitiker. Bei „Sabine Christiansen“ (ARD) diskutierte Wowereit mit Pisa-Auswerter Andreas Schleicher, mit Peter Glotz, mit der baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan und mit dem früheren Studentenführer Daniel Cohn-Bendit. Wowereit soll für die Kontroverse sorgen. Das war den Fernsehleuten so wichtig, dass sie die Sendung nicht wie gewohnt live sendeten, sondern schon am frühen Abend aufzeichneten, da Wowereit später einen privaten Termin hatte. Solche Umstände werden sonst nur gemacht, wenn Javier Solana von der EU einen Hubschauber erreichen muss.

Dabei sind Wowereits Vorschläge nicht besonders originell: Die Gebühren sollen nachgelagert erhoben werden und zumindest ein Teil der Einnahmen direkt bei den Universitäten bleiben. Interessanter als der Inhalt sind Form und Motivation seiner Forderung. Ohne Not brachte er vor einem halben Jahr das Thema in einem Interview mitten in der Diskussion um die Agenda 2010 auf, nach dem Motto: Es muss sich noch viel mehr ändern. Als vor gut einer Woche Studenten das Berliner Abgeordnetenhaus belagerten, goss der Regierende freudig noch Öl ins Feuer und sprach von sich aus die Gebühren an: „Wir sind leider noch nicht so weit.“ Die Reaktionen lassen nie lange auf sich warten: Mal kassiert Wowereit ein öffentliches „Basta“ von Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD), mal distanziert sich seines Landes-SPD per Resolution von seinen Vorstellungen.

Den Widerspruch nimmt er gern hin, denn er ist fest davon überzeugt, dass sich die SPD-Haltung in dieser Frage in absehbarer Zeit um 180 Grad drehen wird. Wowereits Kalkül: Er will als Erster einen Gedanken aussprechen, der sich durchsetzen wird. Gegen die klassische sozialdemokratische Kritik an Gebühren – sie würden wenig Begüterten den Zugang zur Uni verstellen – glaubt sich Wowereit durch seine Biografie immunisiert. Er ist Sohn einer Arbeiterin und studierte in den 70ern Bafög-gestützt als Einziger von fünf Geschwistern. Auch bei der Realisierung von Studiengebühren ist Wowereit ganz vorn. Im kommenden Jahr wird an den Berliner Hochschulen ein „Credit Point“-System eingeführt, mit dem Langzeitstudenten Gebühren berechnet werden. Während der PDS-Wissenschaftssenator die Credit Points als Alternative zu Gebühren preist, erklärt sie Wowereit zum ersten Schritt.

ROBIN ALEXANDER