LESERINNENBRIEFE
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■ betr.: die neue taz

Güzel gazeteler dilerim

freu mich so, dass ich mein abo verlängert hab, und möcht euch eine lustige geschichte erzählen: mein seliger vater, muazzam bey, alias kaptan, sammelte damals die hürriyet ab der ersten nummer – eines tages wurden ihm die stapel zu viel oder zu groß oder waren verschimmelt; kurzentschlossen gab er das sammeln auf. das bedeutete etwas taschengeld für meinen bruder und mich, denn alte zeitungen wurden in üsküdar an standleute als verpackungsmaterial vertickt. jetzt bitte festhalten! ab der neuen nummer der taz vom vergangenen samstag/sonntag sammle ich in memoriam kaptan eure/unsere tageszeitung – mal sehn, wie lang ich aushalte. güzel gazeteler dilerim (wünsch uns schöne zeitungen) ARMAGAN OK, München

■ betr.: Leserinnenvorwurf von Ulrike Hilgenberg und Antwort von Chefredakteur Peter Unfried, taz vom 25./26. 4. 09

Trotzdem ’ne ganz gute Zeitung

In den letzten 20 Jahren haben so ziemlich alle bekannten, weniger bekannten und manche inzwischen nicht mehr existierende Zeitungen ihr Layout geändert. Und immer ist zu lesen, wie auch von Ihnen – dass „der überwiegende Teil der Leserschaft“ positiv reagiert. Ist das nicht ein Phänomen, mit welch stilistischer Sicherheit die Chefredaktionen dieses Landes mit ihren Layout-Neuerungen dem Gusto des „überwiegenden Teils der Leserschaft“ entsprechen?! Ist Ihnen weltweit überhaupt eine Zeitung bekannt, die je das Gegenteil verlauten ließ, im Sinne von „wir stellen mit Bedauern fest, dass der überwiegende Teil der Leserschaft sich nicht mit dem neuen Layout anfreunden kann und kehren zum bewährten Layout zurück“?

Meiner Ansicht nach war das vorherige Layout klassisch gut, es war auch anders als die anderen und hob sich so im positiven Sinne ab. Aber ich muss zugeben, dass das neue Layout eher dem neuen Selbstverständnis der taz entspricht, es bringt zum Ausdruck, dass man angekommen ist, die Liste der VIP-Gäste aus der taz-Geburtstagsfeier kann sich sehen lassen. Man gehört dazu, man kennt sich, Bussi links, Bussi rechts. Aber was soll’s, trotzdem ’ne ganz gute Zeitung. ANDREAS HÖRMANN, Frankfurt am Main

■ betr.: Leserinnenvorwurf vom 25./26. 4. 09

Ist das ein „L“?

lieber peter unfried! du schreibst in deiner antwort auf ulrike hilgenberg: „Selbstverständlich dauert es immer, bis man sich an ein neues Layout gewöhnt.“ ich sehe das nicht so. ein neues, gutes layout ist wie verliebtsein, es passt, es macht spaß. wenn das layout gut ist, lädt es ein, das zu tun, um was es geht, zu lesen. das neue layout der taz lädt mich weit weniger zum lesen ein, als das alte. meine hoffnung ist genau die: mich an das layout zu gewöhnen, über die schlechte qualität hinwegsehen zu lernen. wenn ich die seiten der taz ansehe, erinnere ich mich an workshops, in denen es darum geht, wie man gute folienpräsentationen erstellt. denn viele neigen dazu, die funktionsvielfalt des programms powerpoint zu nutzen, um hier ein bild hineinzuhängen, dort eine fußzeile zu layouten und hier quer noch etwas hinzuschreiben. allerdings lenkt das ungeheuer ab. unser sehen ist nämlich mit neugier gepaart. wir sehen uns dinge gerne an. wir wollen die dinge aber auch verstehen können. und genau da hapert es bei vielen dieser präsentationen. die folge ist ablenkung! ablenkung von dem, um was es geht, denn das ist und bleibt die mündliche rede.

und genauso ist es mit dem layout einer tageszeitung. es soll zum lesen einladen und das lesen bestmöglichst unterstützen. nur ein kleines beispiel: in der wochenendausgabe ist auf der seite „meinung und diskussion“ 11 ein zeichen oben mittig, ein großes zeichen. ist das ein „L“, nein, aber was dann? ich weiß es nicht und daher weiß ich überhaupt nicht, was das soll. eine gute grafik ist direkt mit dem inhalt verknüpft. und das ist hier eindeutig nicht der fall. also bitte weg damit. ich hoffe sehr, dass die taz wieder zum einem klaren einfachen layout findet. MICHAEL DROSS, München

■ betr.: „Wenn aus der Wut Widerstand wächst“, taz v. 25./26. 4. 09

Solidarisch mit Arbeitgeberseite

Die Schelte, der DGB-Chef Sommer als auch Gesine Schwan ausgesetzt sind, ergeht zu Unrecht. Was ist daran unverantwortlich, angesichts unbestreitbarer und allgemein anerkannter sozialer Schieflage im Lande vor sozialen Spannungen zu warnen? Nicht erst seit Eintritt der Wirtschaftskrise wird ohne Not ein spürbarer Sozialabbau betrieben. Armut in Deutschland ist zu einem mehr und mehr sichtbaren Thema geworden.

Geradezu lächerlich, einem Michael Sommer und Gesine Schwan unverantwortliche Panikmache zu unterstellen, wo beiden nun bei bestem Willen nichts Revolutionäres anhaftet. Auftritte des DGB-Chefs sind bei milder Kritik stets geprägt davon, soziale Ruhe zu bewahren, sich einvernehmlich bis solidarisch mit der Arbeitgeberseite zu zeigen und Lob und Verständnis für Politik und Wirtschaft zu signalisieren. ROLAND WINKLER, Remseck

■ betr.: „Das Durban-Syndrom“, taz vom 25./26. 4. 09

Antilogiker, Antileser, Antirealisten

Wenn mir etwas nach dem Lesen dieses Artikels klar geworden ist, dann dies: Wir brauchen dringend eine verbindliche Definition des Begriffs „Antisemitismus“ oder zumindest eine verbindliche Empfehlung des Presserats an alle Redaktionen ernst zu nehmender Zeitungen, von Autoren, die in ihren Artikeln diesen Begriff verwenden, eine entsprechende Definition zu verlangen. Frau Kahane jedenfalls mit ihrem „allumfassenden“ Begriff von Antisemitismus hat bei mir nicht zur Erhellung des Problems beigetragen: Was da alles hineingepackt und „verwurstet“ wird zum „Durban-Syndrom“, ist eher kryptisch. Wenn ich dann anderswo von einem „alten“ und einem „neuen“ Antisemitismus lese und an dritter Stelle gesagt bekomme, ein Stirnrunzeln über israelische Politik sei sicher verkappter Antisemitismus, dann lasse ich mir ab jetzt nicht mehr verbieten, die Leute, die den Begriff Antisemitismus undefiniert verwenden, künftig „Antilogiker“, „Antileser“ oder „Antirealisten“ zu nennen. GEORG FRITZEN, Düren