Ronald Schill, der rechte Rächer

Beim Streit in der Partei Rechtsstaatlicher Offensive geht es nicht um Inhalte, sondern um Vergeltung für die Entlassung Schills als Innensenator

AUS BERLIN PETER AHRENS

Für den Showdown hat sich der Bundesvorstand die entsprechende Kulisse ausgesucht: Das Hotel, in dem das politische Schicksal von Ronald Schill besiegelt wird, ist umgeben von den Wohnsilos Lichtenbergs und Hohenschönhausens mitten im eiskalten Berliner Osten. Genauso wie es auch in den Hamburger Stadtteilen Wilhelmsburg und Steilshoop aussieht, dort, wo die Schill-Partei vor zwei Jahren ihre triumphalen Wahlerfolge feierte.

Doch Triumph und Sieg sind an diesem Tag weit weg: Der Bundesvorsitzende der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, Mario Mettbach, verkündet mit Leichenbittermiene vor der Presse die Absetzung Schills als Landesvorsitzenden. Anderenfalls sei zu erwarten, „dass er der Partei weiteren Schaden zufügt“. Der Mann, der die Partei gegründet und an die Fleischtöpfe der Hamburger Senatsmacht geführt hatte und erst vor einer Woche als Landeschef bestätigt wurde, wird von den eigenen Leuten rausgeworfen: Mindestens zwei Jahre lang darf er kein Parteiamt mehr bekleiden. Nur der Parteiausschluss bleibt Schill vorerst erspart.

Was Mettbach als „letzte Möglichkeit, das Ruder herumzureißen“, bezeichnet, dürfte aber auch sein eigenes baldiges Ende als Zweiter Bürgermeister und Bausenator Hamburgs befördert haben. So sieht es zumindest der abgesetzte Schill: „Mario ist politisch tot“, droht er nach der vierstündigen Vorstandssitzung und bestätigt damit, was der stellvertretende Bundesvorsitzende Klaus Veuskens vor ein paar Minuten bereits ausgesprochen hat: „Der Mann ist auf einem Rachefeldzug.“

Schill befindet sich an diesem Nachmittag in der Rolle, die ihm am besten gefällt und die er schon einmal erfolgreich gespielt hat: Er ist jetzt wieder der politische Outcast, der gegen alle anderen antritt. Diesmal ist es nicht der Hamburger SPD-Staat, den er herausfordert, diesmal ist es die eigene Partei und die Hamburger Regierung. Und der Exsenator hält einen Trumpf in der Hand: Wenn er mit seinen verbliebenen Getreuen die Fraktion verlässt, dann ist die Rechtskoalition am Ende.

Seit Schill vor zwei Wochen frisch erholt aus einem fünfwöchigen Mittelamerika- und Asienurlaub zurückkehrte, hat er keine Ruhe mehr gegeben. Kein Journalist, dem er nicht kundtat, dass er seinen Nachfolger im Amt des Innensenators Dirk Nockemann für überfordert hält. Dass im Grunde immer noch er bestimme, was in Sachen innerer Sicherheit in der Hansestadt zu laufen habe. All das konnte Bürgermeister Ole von Beust sich nicht mehr bieten lassen, und dies hat er Mettbach wohl unmissverständlich klar gemacht. Auch wenn dieser jedweden Druck aus der CDU vehement bestreitet.

Während Mettbach und seine biederen Vorstandskollegen in hilflosen Worten den Rausschmiss Schills erklären und Durchhalteparolen verkünden, startet der Ausgeschlossene vor der Tür bereits seine One-Man-Show. Mettbach sei nichts weiter als „eine Marionette von Beusts“. Dass der Bundesvorstand ihn schriftlich dazu habe verpflichten wollen, sich künftig mit Kritik an Senat und Partei zurückzuhalten, das empfindet Schill geradezu als Majestätsbeleidigung: „Wir sind hier doch nicht bei der Mafia, wo man die Pistole vor den Kopf gehalten bekommt und das Hirn auf die Straße fliegt, wenn man nicht unterzeichnet“, empört er sich. Mettbach sagt zur selben Zeit : „Ich wusste ohnehin schon vorher, dass er ein solches Papier nicht unterschreiben würde. So weit kenne ich ihn ja inzwischen.“

„Es wird ein Riss durch die Partei gehen“, prognostiziert Schill und lässt sich von einigen angereisten Claqueuren mit „Wir wollen Schill“-Sprechchören feiern. Auf der einen Seite stehe er mit seinem Anhang, auf der anderen Seite der Bundesvorstand, „der dafür zur Rechenschaft gezogen werden wird, was heute passiert ist“. Unter dem lauten Jubel seiner Anhänger zieht er sich an die Hotelbar zurück, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Auch zwei Abgeordente aus der Bürgerschaft sind dabei.

Tatsächlich ist die Partei mit dem Beschluss vom Samstag in zwei Teile gespalten. Dabei spielen politische Differenzen überhaupt keine Rolle: Dass Ruhe, Sauberkeit, Abschiebung und Ordnung ihre politischen Grundpfeiler sind, darin sind sich alle einig, die sich jetzt bekämpfen. Der Konflikt dreht sich allein um die Person Schill. Soll man die egomanischen Ausfälle des Parteigründers hinnehmen? Schließlich ist er derjenige, dem sie all ihre Pöstchen zu verdanken haben. Oder soll man den Egomanen aus der Partei ausschließen, weil er diese mit seinen Launen kaputtmacht?

Der unberechenbare Schill, der lieber auf Schickeria-Partys geht, als Akten zu lesen, und die Kleinbürger, die er um sich geschart hat – das war von Beginn an ein fragiles Bündnis. Es ist nicht erst am Samstag auseinander gebrochen.

Ronald Schill habe zuletzt nicht mehr zwischen seinen Emotionen und Sachfragen unterscheiden können, versucht sich Mettbach als Analytiker seines ehemaligen Parteifreundes. Und auch Mettbachs Stellvertreter Veuskens flüchtet sich ins Psychologische: „Schills Fehler ist und war, dass er nur seine eigene Person sieht und nicht anerkennt, dass auch andere ihre Verdienste haben.“ Die Entlassung durch Bürgermeister von Beust habe Schill offenbar so verletzt, dass er nun unversöhnlich sei und sich „in abstrusen Verschwörungstheorien“ über den Bürgermeister und Nockemann ergangen habe. „Ich habe ihm in den letzten Wochen so viele goldene Brücken gebaut, mehr, als Venedig besitzt“, sagt Mettbach. Aber nichts habe gefruchtet.