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: Bilderbücher

Manchmal wäre es schön, jemand anderes zu sein. Zum Beispiel ein Kind. Man müsste keine Geschirrspülmaschinen ausräumen und keine Katzenklos sauber machen und könnte einfach in den Tag hinein leben und gelassen schauen, was da kommt. Kinder haben es gut! Wieso eigentlich wollen auch Kinder manchmal gerne jemand anderes sein? Interessanterweise stellen sie ja kurz, nachdem sie gelernt haben, „ich“ zu sagen, fest, dass dieses Ich auch ganz schön eng sein kann, und denken sich schnell mal woanders hin.

So ergeht es auch dem kleinen Alexander, der lieber sein Kater Max wäre. Ein Kind hat es gut, aber ein Kater hat es besser. Der kann weiterschlafen, wenn bei Max morgens der Wecker klingelt, der muss nicht im Regen zur Schule laufen und kann sich ungeniert von dannen schleichen, wenn die blöde Tante zu Besuch kommt. Und wenn die hübsche Marie Alexander einen Korb gibt, dann springt Max auf ihren Arm und sie kuschelt mit ihm, mitten auf der Straße. Wenn das kein Grund ist, den Kater zu beneiden. Reinhard Michl hat das in wirklichkeitsnahe Zeichnungen gefasst, ohne ständig seinen Kunstwillen demonstrieren zu wollen. Im großen und weiten Bilderbuchmeer wirkt das auf eine angenehme Art altmodisch und ruhig.

Die Engländerin Lauren Child hingegen ist ganz in der Moderne mit ihren urbanen Einsamkeiten zu Hause. Sie arbeitet mit Collagen, in denen sie Fotografie und Zeichnungen in spitzem Comicstrich zusammenbringt und mit den Schriften spielt. Trotzdem ist ihre Geschichte vom verflixten Ratz in ihrer Grundstimmung der vom Kater Max erstaunlich ähnlich. Ratz ist eine spitznasige Ratte, die in einer weggeschmissenen Chipstüte in der Unrat-Allee wohnt und sich nichts sehnlicher wünscht, als ein Haustier zu sein. Aber wer will schon eine Ratte zum Kuscheln? Dabei würde der Ratz alles tun, um einem Herrchen zu gefallen. Einmal nicht der Ratz sein müssen! Dieser Traum geht eines Tages tatsächlich in Erfüllung. Weil ein Mann den Ratz für eine Katze hält, finden die beiden zusammen. „Mr. Fortes sagt: ‚Na, Mausi, wer ist ein hübsches Miezekätzchen?‘ Und ich quieke: ‚Ich!‘“

Das ist schon ziemlich um die Ecke gedacht und tragisch im Glück. Aber manchmal können auch vergleichsweise konventionelle Geschichten ganz schön sein. Zum Beispiel die vom Krokodil, das Zahnschmerzen hat. In den herangezoomten Zähnen findet Herr Jambus, der Zahnarzt, neben Resten von Schokowaffeln auch ein Schiffswrack. Wie der Zahn am Ende von Herrn Jambus gezogen wird und die entstandene Lücke sein Leben rettet, davon erzählt das Buch nicht nur in komischen Bildern, sondern auch in Reimen.

Auf Farben und Perspektiven setzt auch der Zeichner Jens Rassmus. Er hat die neue Geschichte von Max Kruse gemalt, und gäbe es einen Preis unter dem Motto „Entspannt euch!“, dann hätte dieses Bilderbuch ihn weit vor aller Konkurrenz verdient. „Die Geschichte vom Höherhinauf“ erzählt von einem Jungen, der die Höhe so sehr liebt, dass seine Eltern mit ihm schließlich vom Parterre in den 17. Stock umziehen. Musste halt sein.

Als der Junge erwachsen wird, wächst ganz selbstverständlich auch seine Vorstellung von der Höhe mit. Er verkauft Ansichtskarten auf einem Fernsehturm, wird Pilot und schließlich Astronaut. Und was denkt er, als er endlich auf dem Mond steht? „Noch niemals hatte ich eine größere Sehnsucht nach oben.“ Dabei hüpft er in seinem Raumanzug fröhlich in die Höhe. ANGELIKA OHLAND

Reinhard Michl: „Manchmal wär’ ich lieber Max“. Hanser Verlag, München 2004. 32 Seiten, 13,30 EuroLauren Child: „Verflixter Ratz.“ Aus dem Englischen von Sophie Birkenstädt. Carlsen Verlag, Hamburg 2004. 32 Seiten, 15 EuroDaniel Napp, Markus Spang: „Herr Jambus und das Krokodil“. Sauerländer Verlag, Düsseldorf 2004. 32 Seiten, 12,90 EuroMax Kruse, Jens Rassmus: „Die Geschichte vom Höherhinauf“, Sauerländer Verlag, Düsseldorf 2004. 32 Seiten, 13,90 Euro